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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond
Autoren: C Anlauff
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Kopf stellt.« Er seufzte. »Das Fatale ist, dass es nicht der erste Kampf dieser Art war. Vor einer Woche wurde einem Halbjährigen die Brust aufgerissen, noch bevor er überhaupt Zeit hatte, in Position zu gehen. Verfluchter September«, fügte er bitter hinzu. »Der letzte roch nach Laub, nicht nach Blut.« Er hob die Augen, und für eine Sekunde hatte Serrano das Gefühl, in sich selbst hineinzublicken. Er versuchte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen.
    »Du hast es also auch gemerkt«, sagte er nur. »Und du denkst, das Übel dieses Septembers zeigt sich im Geruch von Blut?«
    »Und dem nach Erregung«, sagte Cäsar. »Es dürfte wohl auch dir kaum entgangen sein, wie sie herumkriechen, wie sie sich belauern, sich Stöcke zwischen die Pfoten werfen. Am schlimmsten natürlich die, die noch zeugungsfähig sind, aber die anderen auch, um sie zu reizen. Und die Weibchen, weil sie die Konkurrenz fürchten.«
    Serrano merkte, dass er langsam den Faden verlor. »Welche Konkurrenz?«
    »Als ob jemand alle Gesetze außer Kraft gesetzt hat«, murmelteCäsar, ohne seinen Einwurf zu beachten. »Ich erkenne das Revier nicht wieder.«
    »Das legt sich, wenn es kühler wird«, sagte Serrano noch immer verwirrt.
    Cäsar schüttelte den Kopf. »So redet einer, der nur seinen Fressnapf im Sinn hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es selbst im Schnee weitergehen wird.«
    »Was?«, fragte Serrano, der tatsächlich gerade ein wenig Hunger verspürte. »Wovon, zum Milchbart, redest du?«
    Um das Maul des neuen Princeps zuckte es leicht. »Sag mir eines: Es sind kaum dreieinhalb Monate vergangen, seit du dein Amt abgetreten hast, und du bist völlig raus. Wie kann das sein? Willst du mir etwa weismachen, dass du noch nichts von dem Haus gehört hast?«
    »Welchem?«, fragte Serrano, schwankend, ob er Cäsar die Beleidigung heimzahlen oder um Informationen betteln sollte. Cäsar schien es zu merken, er ließ das Zucken seiner Barthaare sein und sagte schlicht: »Dem Katzenhaus.«
    »Ach so.«
    »Schön, du weißt also Bescheid. Ich muss los, der Knöterich wartet.« Mit einem Blick, aus dem eine Mischung aus Zweifel und Mitleid sprach, setzte sich Cäsar in Bewegung.
    Serrano sah ihm nach, bis der Dämmer des Kirchhofes ihn geschluckt hatte. Zu seinen Pfoten platzte mit leisem Knallen eine Buchecker. Wütend schlug Serrano sie beiseite. Katzenhaus! War es wirklich schon so lange her, dass er die Geschicke des Viertels gelenkt hatte?
    Seit zehn Minuten stand Hauptkommissar Hendrik Liebermann in T-Shirt und Unterhosen vor dem Türspiegel seines Kleiderschranks und versuchte, ein Zeichen von Freude an sich zu entdecken. Außer einem blauen Fleck oberhalb seiner Hüfte fand er keins. Und auch der Fleck stammte genau genommen nicht vonihm, sondern von seiner Freundin Nico. An dem Tag, als der Brief gekommen war, hatte sie ihn so heftig umarmt, dass er rücklings gegen das Treppengeländer geprallt war.
    Ihr Überschwang hatte ihn deprimiert, genauso wie ihn jetzt dieser Fleck deprimierte, der immerhin beinahe exakt die Umrisse von Irland wiedergab. Einige bräunliche Verfärbungen in seiner Mitte ließen sogar topografische Strukturen ahnen. Nico hatte ihn fotografiert, »als Erinnerung an den Tag, an dem aus dem Leiter der Vermisstenstelle der Leiter der Mordkommission wurde«.
    Der neue Leiter der Potsdamer Mordkommission sah sich dabei zu, wie er in eine dunkle Jeans stieg und die Knöpfe schloss. Einer fehlte, aber das fiel nicht weiter auf, sobald die Blende über der Knopfleiste lag. Für seinen Antritt nächste Woche würde er sich eine neue Hose kaufen, vorausgesetzt, dass er seine Starre bis dahin überwunden hatte. Vielleicht war einfach alles zu schnell gegangen. Ja, das war’s wohl, er hatte zu viele Geschenke hintereinander bekommen.
    Nico hätte ihm völlig ausgereicht. Aber nein, kaum war seine Benommenheit darüber, dass eine Frau seine Liebe erwiderte, abgeklungen, hatte Liebermanns Exfrau ihre Wohnung mit einem Großteil des Mobiliars an ihn abgetreten, um in eine buddhistische Landkommune überzusiedeln. Da sie dort nur ein Zimmer hatte, brauchte sie keine Möbel. Und da die nächste Schule von dort eine halbe Tagesreise entfernt war, hatte sie am Ende sogar eingewilligt, ihre gemeinsame Tochter Miri in seiner zweifelhaften Obhut zurückzulassen. Innerhalb von drei Monaten war Liebermann zu einer Geliebten, einer doppelten Vaterschaft – wenn man Nicos Tochter Zyra mitzählte – und einer
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