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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond
Autoren: C Anlauff
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Vierraumwohnung am Rande des Parks Sanssouci gekommen.
    Miri und Zyra waren vor sechs Wochen eingeschult worden. An diesem Tag hatte der in Harmoniebewältigung unerfahrene Liebermann zum ersten Mal gemerkt, dass sein Maß voll war. Aber da wardie Bewerbung bereits unterwegs gewesen: Hauptkommissar des LKA Berlin, Dezernat 124, sucht ab sofort in Potsdam …
    Eine Blindbewerbung, geschrieben, vergessen und vor einer Woche beantwortet.
    Neben seinem Spiegelbild tauchte ein weiteres auf, das ihm knapp bis zur Schulter reichte und ein schmutziges Männerhemd trug. »He!«
    Liebermann lächelte. Von Nicos Nasenwurzel zog sich ein schwarzer Streifen abwärts bis zum Mund, wo er in Richtung der Ohren abbog. »He!«, antwortete er.
    In der Tür erschienen die Mädchen, beide dreckig wie Hofspatzen. »Wir sind fertig!«, sagte Zyra. »Die vergammelten Blumen haben wir in den Eimer geworfen.«
    »Danke«, erwiderte Liebermann und schloss beschämt die Gürtelschnalle.
    Nico sah ihm zu, immer noch über den Spiegel. »Alles in Ordnung?«
    »Ja. Es ist nur … Eigentlich wollten wir den Balkon zusammen herrichten.«
    »Und dann hast du dich beim Umziehen in dein Spiegelbild verliebt. So etwas kommt vor.« Sie schickte die Mädchen ins Bad und schloss behutsam die Schranktür. Einer der beiden Hauptkommissare verschwand. Dafür sah Liebermann die Falte auf Nicos sonst glatter Stirn jetzt umso deutlicher.
    »Sag’s mir!«, bat sie. »Ich bin nicht blöd, weißt du?«
    Mit den Fingerspitzen berührte Liebermann die Spur, die die Erde in ihrem Gesicht hinterlassen hatte. Schwierig, es ihr zu erklären, wo er selbst keine Worte dafür fand, außer: »Lampenfieber. Ich habe noch nie eine Mordkommission geleitet.«
    Die Falte glättete sich. »Aber deine neuen Kollegen auch nicht. Und im Gegensatz zu denen hast du immerhin überhaupt schon mal ein Dezernat unter dir gehabt.« Sie nahm seine Finger aus ihrem Gesicht, küsste sie und legte sie sich in den Nacken.
    »Ich muss noch mal zur Havel runter. Kommst du mit?«
    »Und die Mädchen?«
    »Chorprobe.«
    »Ach ja.« Das hatte Liebermann vergessen.
    Draußen bei den Hausbooten hockte Frank vor dem Tresen seiner Bar und schob einen neuen Riegel Klammern in die Heftpistole, während er über die Unausweichlichkeit des Verfalls nachdachte. Angefangen hatte er beim Sommer, dessen Niedergang sich hier am ehesten bemerkbar machte. Denn Franks Bar war kein herkömmlicher Treffpunkt für Bierdurstige oder sozial Vereinsamte, wie zum Beispiel das »Katinka« seines Kumpels Jürgen einen halben Kilometer weiter im Herzen der Brandenburger Vorstadt. Jürgen entlockte die Agonie des Sommers vermutlich nur ein müdes Lächeln. Wenn seine Gäste auf der Terrasse zu frieren begannen, wechselten sie einfach ins Innere des Katinka.
    Bei Frank gab es nichts Inneres, das war das Problem.
    Obschon die »Strandbar« sich romantisch ans Ufer der Havel schmiegte und ihre Cocktails in mehreren Ausflugsratgebern gerühmt wurden, sank die Zahl ihrer Gäste im selben Maße wie die Temperatur auf dem Außenthermometer.
    Dagegen ließ sich nichts machen. Da half nur Gleichmut. Schließlich hatte ihn keiner gezwungen, eine Strandbar zu eröffnen. Im Sommer Umsatz, im Winter Glühwein auf dem Boulevard. Allerdings, dachte Frank, als ihm der Wind den losen Bastteppich um die Ohren schlug, konnte man im September ja wohl kaum von Winter sprechen. Im letzten Jahr um diese Zeit war die Bar brechend voll gewesen. Und jetzt? Ein lausiges Safttrinkerpärchen und sein alter Freund Timmi. Immerhin, Timmi würde ihm auch bei Hagel noch die Treue halten.
    Sie hatten mal zusammengewohnt, er, Timmi, Jürgen und ihre damaligen Mädchen, in den kurzen Jahren der Narrenfreiheit nach der Wende. Bis die Tragödie passiert war. Danach hattenJürgen und er wie Übermütter auf Timmi aufgepasst, ihm Süppchen gekocht, die Blödquatscher ferngehalten und ihm zur Not auch die ein oder andere Tüte gedreht. Hatte aber alles nichts geholfen. Von einem Tag auf den anderen war Timmi ausgezogen, wohin, wusste der Teufel. Vielleicht waren sie zu besorgt um ihn gewesen. Vielleicht hatte er auch nur einen guten Riecher gehabt, denn kurz darauf hatte der Schornstein den Geist aufgegeben. Na egal, jetzt war Timmi jedenfalls wieder da. Und, was Frank besonders freute: Er sah beinahe täglich auf ein Bier vorbei. Machte summa summarum sechzig Euro im Monat. Frank blickte zur Seite, wo Timmi in eine Zeitung versunken an seinem Glas nippte. Dafür
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