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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond
Autoren: C Anlauff
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auf das Foto.
    »He, das ist meine«, sagte Frank grinsend. »Guck sie mir nicht weg!« Als sein Kumpel darauf nicht einging, runzelte er die Stirn. »Jetzt hör schon auf, dieses schlecht getroffene Bild anzugaffen. Ich geb dir einen aus. Euch auch«, fügte er an Nico und Liebermann gewandt hinzu.
    Nichts. Aus irgendeinem Grund schien das Foto Timmi zu paralysieren. Mit einer gemurmelten Entschuldigung trat Liebermann neben ihn und sah ihm über die Schulter.
    Er fand nichts Besonderes daran. Das Bild war im Freien aufgenommen worden. Hinter der tatsächlich recht attraktiven Schulleiterin türmten sich Kuchen und Obst auf einem Buffet. Wiederum dahinter reichte ein Mädchen gerade einen Teller an ein männliches Profil am rechten Bildrand weiter.
    »Nur weil es mir gerade einfällt«, sagte Frank vorsichtig zu Timmi, als gälte es, einen empfindlichen Patienten nicht zu verstören, »Rolli, der Typ vom roten Hausboot, hat sich erkundigt, ob du Hartgummireifen verkaufst. Auch gebraucht, sogar lieber gebraucht.«
    Timmi hob den Kopf und blickte Frank vage an. Dann murmelte er etwas, rollte die Zeitung zusammen und stapfte durch den knirschenden Sand davon. Verblüfft sah Frank ihm nach.
    »Versteh das einer«, sagte er, als sein Freund hinter einer der künstlichen Dünen, die die Bar säumten, verschwand. »Er hat nicht mal gezahlt.«
    »Irgendwas hat ihn angesprungen«, bemerkte Liebermann.
    »Woher denn? Aus dem Foto?«
    »So sah es aus.«
    »Nee«, meinte Frank. »Das wäre mir neu, dass Timmi Schiss vor hübschen Miezen hätte. Im Gegenteil, er hatte selber mal eine, die …« Er brach ab. »Außerdem hast du ja gesehen, dass er Leder mag.« Er deutete auf seine Hose, die aus demselben Material bestand wie Timmis und an den Knien leicht abgewetzt war.»So einer kriegt keine Krise, nur weil man ihm ein Bild mit zwei Latexmädchen vorsetzt.«
    »Also ich habe kein Latex auf dem Foto gesehen«, schaltete Nico sich ein.
    »Bildlich gesprochen, natürlich.« Als besänne er sich plötzlich seiner Rolle, griff Frank nach einem Lappen und begann den Tresen abzuwischen. Mit halbem Auge sah er, wie Liebermann seiner Tasche einen zerfledderten gelben Post-it-Block entnahm.
    Er hatte schon von dem Tick des Bullen, sich jeden Fatz zu notieren, gehört. Eine blöde Marotte, falls einer nach seiner Meinung fragte. Aber im Grunde interessierte es ihn nicht besonders. Ruhe und Gelassenheit. Das waren die Dinge, die das Leben in der Waage hielten. Und eine langsame Zunge. Seine war ihm eben für eine Sekunde ausgerutscht, nun hatte er den Salat.
    Der gelbe Zettel in seiner Hosentasche lenkte Liebermann für einen Augenblick von seiner chronischen Anspannung ab. Er war ihnen dankbar: dem Zettel und dem seltsamen, in Leder gekleideten Burschen, dem er ihn verdankte. Nachdem sie die Mädchen vom Chor abgeholt und sich auf ihre jeweiligen Haushalte verteilt hatten, heftete Liebermann den Schnipsel zu den anderen an die Pinnwand über seinem Schreibtisch. Es war der erste seit dem Eintreffen des schicksalsträchtigen Briefes aus der Potsdamer Mordkommission. Allerdings bei weitem nicht der erste, der das Haus betraf.
    Seit Liebermanns Freund und Nachbar Ralph vor zwei Monaten ein Schild mit der Aufschrift »Aphrodite« an einer Villa in der Geschwister-Scholl-Straße entdeckt hatte, sammelten sich auf dem halben Quadratmeter Kork allerhand Meinungen, Beobachtungen und Aufregungen.
    »Könnte mir mal einer verraten, was man unter einem Etablissementnamens Aphrodite verstehen soll«, hatte Ralph seinerzeit beim Stammtisch im Katinka gefragt, »wenn nicht einen Puff? Und das vor den Schlosstoren eines Frauenverächters!«
    Während der Sommermonate verdiente sich Ralph ein paar Euro als Fremdenführer dazu. Er vergötterte Friedrich den Zweiten, in dem sich nach seiner Ansicht sämtliche erstrebenswerten menschlichen Eigenschaften vereinigten. Leider verleitete ihn die Anbetung des verblichenen Monarchen zuweilen dazu, sich als dessen Erbverwalter zu betrachten.
    »Ich meine, wenn schon einer einen Elitepuff aufmachen will, warum dann nicht in Berlin oder Frankfurt? Warum ausgerechnet hier, wo es überhaupt keine Kundschaft für Lackstiefel am Straßenrand gibt?«
    »Lackstiefel am Straßenrand?«, hatte Liebermann gebrummt und sich vergeblich zu erinnern versucht.
    Ralph hatte abgewinkt. »Ich rede von der Zukunft. Jemand, der hier ein Bordell etabliert, wird natürlich nicht so blöd sein, gleich in der ersten Woche einen Skandal zu
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