Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg
Autoren: E Mendoza
Vom Netzwerk:
wissen solltest.»
    Im riesigen Velázquez-Saal war niemand außer ihnen. Paquita machte eine Pause und fuhr fort: «Gestern war ein merkwürdiger Tag. Ich habe mich immer für jemand Vernünftiges gehalten, und trotzdem habe ich in einem einzigen Tag dreimal die Meinung gewechselt. Am Morgen war ich überzeugt, mich bis über beide Ohren in dich verliebt zu haben. Ich war niedergeschmettert von dieser Entdeckung, als dieses Mädchen aus dem Hotel zu uns kam, die mit dem Säugling. Sie wusste, dass ein tödliches Attentat auf diesen gütigen englischen Herrn geplant war, und kam, um mich zu warnen, sie wollte nicht Handlangerin bei diesem Verbrechen sein. Aus diesem Grund hat sie mit ihrem Kind Madrid verlassen. Gott erbarme sich ihrer und des armen Geschöpfs. Unter großer Selbstüberwindung bin ich zu José Antonio gegangen – um nichts in der Welt wollte ich ihn in diesem Moment sehen, aber ich wusste, dass nur er dir das Leben retten konnte. Wie ich dort war und ihm gegenüberstand, wurde mir klar, dass die Liebe zu dir nur eine momentane Anwandlung gewesen war. Für mich wird es nur einen Mann in meinem Leben gegeben haben. Unsere Geschichte war eine Entgleisung. So schnell ändert man seine Gefühle nicht.»
    «Du hast sie dreimal an einem Tag geändert», antwortete Anthony, in den seinen verletzt. «Welches war das dritte Mal?»
    «Das endgültige», sagte sie sehr ernst. «Als man uns mitgeteilt hat, was Guillermo passiert war, ging mir auf, dass wir alle dabei sind, kopfüber in einen Abgrund zu stürzen, und dass etwas unternommen werden muss, um diesen Sturz zu verhindern. Im Krankenhaus …»
    Bedrückt von der Erinnerung an diesen Augenblick, hielt sie einige Sekunden inne, dann fuhr sie gefasster fort: «Ich mag nicht dramatisieren. Im Krankenhaus habe ich ein feierliches Gelübde abgelegt. Wenn mein Bruder mit dem Leben davonkäme, würde ich mich von der Welt zurückziehen. Dass Gott das Wunder gewirkt hat, hat mich in dem bestärkt, was ich mir schon gedacht hatte – dass alles Elend, das über meine Familie hereingebrochen ist, eine Strafe für meine Sünden war. Ich weiß nicht, ob der Himmel und ich jetzt Frieden haben, aber wenigstens weiß ich, welches mein Weg ist. Eine Cousine meiner Mutter ist Äbtissin eines Klosters in Salamanca. Wenn ich meine Angelegenheiten geregelt habe, werde ich mich dorthin zurückziehen. Im Moment habe ich noch nicht vor, die Ordensgelübde abzulegen, das wäre überstürzt, und in letzter Zeit habe ich oft genug kopflos gehandelt. Ich werde einige Monate beten und meditieren und mich dann nach dem Sommer entscheiden.»
    Anthony versuchte, die seltsame Abfolge von Nachrichten zu verarbeiten. Sämtliche Frauen, mit denen er hier eine Beziehung gehabt hatte, änderten Leben und Wohnort: die Toñina, Lilí und jetzt Paquita. Durch meine Schuld entvölkert sich Madrid, dachte er. Anstatt etwas zu sagen, führte er Paquita vor das Porträt von Madre Jerónima de la Fuente. Obwohl das Bild relativ groß ist, wirkt die Nonne winzig, als hätten sie der Lauf der Jahre, die Askese und die Erfahrung körperlich schrumpfen lassen, ohne in ihrer Energie und ihrem Charakter Spuren zu hinterlassen. Sie hat einen müden Blick, die Lider sind schwer und leicht gerötet, der Mund ist eigenwillig verkniffen. In einer knochigen, geäderten Hand hält sie ein Buch; mit der anderen umfasst sie ein großes Kruzifix. Für einen Moment hat sie den Blick vom Gekreuzigten abgewandt, um flüchtig den Mann anzuschauen, der sie da malt, und dann in all den kommenden Jahrhunderten jeden, der vor ihrem Porträt stehenbleibt. Sie sieht ernst aus, der Blick aber ist barmherzig und verständnisvoll.
    «In Madrid gibt es zwei identische Porträts», sagte Anthony, «und beide werden Velázquez zugeschrieben. Das da ist das bessere; das andere befindet sich in Privatbesitz. Über beiden steht ein Motto, das mit den Jahren zwar nachgedunkelt, aber immer noch leicht zu entziffern ist: Bonum Est Prestolari Cum Silentio Salutare Dei. Das heißt: ‹Es ist gut, die Rettung von Gott in Stille zu erwarten.› Das andere Bild hat zudem einen Wimpel mit einem weiteren Motto, an das ich mich nicht vollständig erinnern kann, das aber in etwa besagt: ‹Sein Ruhm wird meine einzige Befriedigung sein.› Ich fürchte, wenn du dann allein in deiner Zelle bist, wirst du dich für eine der beiden Versionen entscheiden müssen.»
    Wortlos löste sich Paquita vom Arm des Engländers und schritt langsam hinaus,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher