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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg
Autoren: E Mendoza
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können, was niemand erreicht hat oder je erreichen wird: den unsinnigen Klassenkampf zu überwinden, den Grundstein für ein neues Spanien, ein Vaterland für alle zu legen. Meine Bemühungen sind umsonst gewesen: Die Spanier verharren lieber in ihren anachronistischen Ideologien, ihrer Verdummungsdemagogie, ihrem als Demokratie getarnten Bonzentum und ihrem brutalen Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn. Was gibt es für einen Unterschied, wenn man mit dem Herz-Jesu-Bildnis eine Bittprozession macht und wenn man es verbrennt? Das ist ein Land von Höhlenmenschen, ein Land des Elends, der Unlust und des Drecks.»
    Er legte Anthony die Hand auf die Schulter und fuhr in persönlicherem Ton fort: «Geh nach Hause, mein Freund, das ist kein Ort für dich. Geh wieder nach England mit seinen grünen Feldern zurück und erzähl dort, was du gesehen hast – erkläre, wofür ich kämpfe, was ich will und mit welchen Hindernissen ich es zu tun habe.»
    Mit einer entschuldigenden Geste schüttelte Anthony den Kopf. «Sorry», sagte er, «aber ich fürchte, das werde ich nicht tun. Ich werde so nach England zurückkehren, wie ich gekommen bin: ohne Partei zu ergreifen. Es ist nicht so, dass mir alles einerlei wäre, ganz im Gegenteil, die Situation bringt mich zur Verzweiflung und mehr noch, was sich in Zukunft abzeichnet. Aber es ist nicht mein Bier. Niemand hat mich um Rat gefragt, als es darum ging, die Grundlagen zu schaffen, die Ziele zu bestimmen, die Spielregeln festzulegen. Jetzt dürft ihr mir nicht das Urteil aufbürden. Mein Engagement ist rein persönlich. Wenn sie draußen auf dich warten, geh ich mit dir raus. Nicht weil ich denke wie du, sondern weil wir zusammen hereingekommen sind und zusammen gebechert haben. Falls sie schießen wollen, überlegen sie es sich vielleicht zweimal, wenn sie dich in Begleitung eines britischen Staatsangehörigen sehen, vielleicht auch nicht. Aber die Gedanken, derentwegen ihr bereit seid, euch gegenseitig umzubringen, mag ich weder hören noch diskutieren.»
    Die Calle Alcalá war für den Verkehr gesperrt. Nur zwei schwarze Autos waren gegenüber dem Lokal geparkt, und in den Hauseingängen standen sechs Beamte der Bereitschaftspolizei mit Karabinern in Deckung. Als José Antonio Primo de Rivera und Anthony Whitelands mit erhobenen Händen die Bar verließen, stieg Oberstleutnant Marranón aus einem der Autos aus und kam auf sie zu. «Es hätte mich erstaunt, wenn ich Ihre Visage nicht gesehen hätte», sagte er zum Engländer. «Sie sind beide verhaftet.»
    «Wie lautet die Anklage?», fragte José Antonio.
    «Waffenbesitz ohne Waffenschein.»
    «Weder ich noch dieser Gentleman tragen eine Waffe», protestierte Anthony.
    «Verdammt noch mal, Vitelas, zwingen Sie mich nicht, etwas zu erfinden. Ich buchte Sie ein, und morgen wird der Richter über die Anklage entscheiden. Sie fahren mit mir, Señor Primo fährt im anderen Wagen.»
    José Antonio reichte dem Engländer die Hand. «Ich glaube nicht, dass wir uns wiedersehen werden.»
    Anthony erwiderte seinen Händedruck und schaute ihm fest in die Augen. «Wenn man uns nicht festgenommen hätte, hättest du mich umgebracht? Sag mir die Wahrheit.»
    José Antonio lächelte, zuckte die Schultern und ging auf das genannte Auto zu, eskortiert von den sechs Polizisten. Den Fuß schon auf dem Trittbrett, wandte er sich um und grüßte mit erhobenem Arm. Anthony und der Oberstleutnant setzten sich in den Fond des anderen Wagens. Ein Polizist nahm den Notsitz ein.
    «Worüber haben Sie gesprochen?», fragte der Oberstleutnant unterwegs.
    «Hauptsächlich über Frauen.»
    «Hab ich mir doch gedacht. Haben Sie das mit diesem Burschen mitgekriegt, dem Bruder der Frau, über die Sie gesprochen haben?»
    «Ja. Ist er gestorben?»
    «Keineswegs. Die jungen Herrchen sind wie Kater. Man wirft sie vom Dach, aber da ist nichts zu machen.»
    Anthony lehnte sich im Ledersitz zurück, schloss die Augen und seufzte tief. Als er die Augen wieder öffnete, stand das Auto vor dem Hoteleingang. Das Pflaster war geschrubbt worden, und auf der Plaza del Ángel waren keine Blutspuren mehr zu sehen. «War ich nicht verhaftet?»
    «Sie nicht. Ich mag Sie nicht mehr sehen. Sie töten mir den Nerv. Und Sie stinken nach Whisky. Um sich in internationale Intrigen einzumischen, muss man cleverer sein, sittsamer und nicht so entflammbar. Ihr Zug fährt morgen um vierzehn Uhr im Bahnhof Atocha ab. Verpassen Sie ihn nicht, und versuchen Sie nicht, vor der Grenze auszusteigen. Die
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