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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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wie eine unsichere Frage.
    Die Angesprochene reagierte nicht. Mit unverminderter Heftigkeit schrie sie ihren Schmerz hinaus.
    »Mia?«, versuchte ich es erneut. »Bist du das?«
    Nun war es wirklich eine törichte Frage. Immerhin zeigten meine Worte endlich eine Wirkung. Für einen kurzen Moment wurde es still im Zimmer, dann setzte wieder ein leises Schluchzen ein.
    Diesmal mischten sich aber Worte in das Wehklagen. »Ooohhh … Thomas … verzeih’ mir!«, hörte ich undeutlich, »… ich … ich habe es nicht gewollt … das … das … musst du mir einfach glauben.«
    Mit fest zusammengekniffenen Augen wehrte ich mich gegen die unterschwellige Botschaft, die mir ihre tränenerstickte Stimme übermittelte. ›Nein!‹ , rief ich mir innerlich zu. ›Hör’ nicht auf sie! Mia ist kein unschuldiges Opfer. Du hast es mit deinen eigenen Augen gesehen; sie ist nicht mal ein Mensch, sondern … (trotz allem kostete es keine geringe Überwindung, die Worte auch nur zu denken) … eine grausame blutgierige Bestie!‹
    »Ooohh Thomas … bitte hilf’ mir«, flehte das unsichtbare Wesen vor mir. »Ich … ich kann selbst nicht glauben, was hier geschehen ist … Ich verstehe es nicht! Glaub’ mir, ich würde alles tun – ALLES –, um diese schreckliche Tat ungeschehen zu machen …« Ein erneuter Weinkrampf machte ein weiteres Sprechen unmöglich.
    Sirenenklänge , sagte ich mir. Meine schweißfeuchten Hände drückten sich immer stärker gegen den Rahmen der Tür. Nichts weiter als die schönen Lügen einer berechnenden Hexe. In dem Augenblick, in dem du beginnst, ihr zu glauben, bist du auf ewig verloren.
    »Nicht ich war es, die Joy tötete«, behauptete meine Versucherin dreist, »ich liebte sie doch. Es war eine fremde Macht, die diese Freveltat beging. Thomas … schau’ mich an … bitte! Wenn du mich siehst, musst du einfach erkennen, dass mich keine Schuld trifft.«
    Erfolgreich widerstand ich ihrem Flehen. »Dich ansehen? Oh nein. Ich habe schon jetzt keinen Tropfen Galle mehr in mir; bei deinem Anblick fürchte ich allerdings, alle noch verbliebenen Säfte auskotzen zu müssen.«
    Ein Aufschrei der Verzweiflung war die Antwort. »Wie kannst du so mit mir sprechen?! Ich bitte … flehe … verzweifelt um deine Hilfe, und du … du … ooooohhhhhh …«
    Ich spürte, wie sich eine Welle der Erregung ihren Weg von meiner Brust bis in die Hände und Füße bahnte. Ich zitterte so heftig, als habe man den gesamten Eingang unter Hochspannung gesetzt.
    »Verzweifelt?«, schrie ich Mia mit überschlagender Stimme an. »Du willst verzweifelt sein? Das ist wirklich gut. Das ist … das ist wahnsinnig! Was ist – wenn ich fragen darf – mit Joy McMillian? Frag’ sie doch einmal, wie sie sich fühlt. Na, was meinst du? Glaubst du, man kann alles mit ein paar ›Band-Aids‹ wieder hinkriegen, oder was? Du … du hast diese Frau umgebracht, gottverdammt!« - »Nein«, verbesserte ich mich, »nicht umgebracht … Du hast sie hingeschlachtet. Selbst ein völlig zugekiffter Psycho hätte so was nicht fertiggebracht!« Ohne dass ich es wollte, betrat ich mit fuchtelnden Armen das Zimmer. »Du bist eine wahnsinnige … wilde …!«
    »Aber ich war es nicht!«, überschrie sie meine Anklage. »Verstehst du denn nicht, ich bin für Joys Tod nicht verantwortlich.«
    Damit meine zuckenden Hände zur Ruhe kamen, drückte ich sie fest auf meine geschlossenen Augen.
    »Und wer ist deiner Meinung nach für diese Sauerei hier zuständig? Ein herrenloser Mähdrescher oder gar deine liebliche Ach? Joy sieht jedenfalls nicht so aus, als sei sie an einer verdammten Blinddarmentzündung gestorben!!«
    Ich konnte kaum glauben, dass ich in einer derart ernsten Lage dazu imstande war, einen humorigen Sarkasmus zu entwickeln. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anführen, dass die Szene derart grausig war, dass normale menschliche Bewältigungsstrategien nicht mehr ausreichten. Ich befand mich in einer Extremsituation und suchte vergeblich nach einem Ventil. Meine Äußerung klang allerdings ähnlich lustig wie das wilde Gelächter eines Soldaten, der nach der Schlacht über die unzähligen zerfetzten Leiber seiner gefallenen Kameraden steigen musste.
    »Es … es war die Mächtige, die Reißende«, antwortete Mia. »Die Herrin von Mer, die Fürstin der Temhu tötete Joy. Es war sie, die Herrin der Seuche und des Blutbades, Herrscherin über Kom el-Hisn, die Herzensherausreißerin. Verdammt, es war das zornige Auge des Re … die große
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