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Katz und Maus

Katz und Maus

Titel: Katz und Maus
Autoren: Günter Grass
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die Lippen. Moment, da der Priester mit der ihm zugedachten Oblate ein Kreuz, klein und flüchtig, über ihn wischte: sein Gesicht trieb Schweiß. Hell stand der Tau auf den Poren und verlor den Halt. Er hatte sich nicht rasiert: Stoppeln schlitzten die Perlen. Abgekocht traten Augen vor. Mag sein, daß das Schwarz der Panzerjacke die Bleiche seines Gesichtes höhte. Trotz dicker Zunge schluckte er nicht. Gestochen kreuzte sich jener eiserne Artikel, der das kindliche Kritzeln und Durchkreuzen so vieler russischer Panzer zu belohnen hatte, über dem obersten Kragenknopf und nahm keinen Anteil. Erst als Hochwürden Gusewski die Hostie auf Joachim Mahlkes Zunge lud, und jener das leichte Gebäck zu sich nahm, mußtest Du schlucken; ein Vorgang, dem das Metall gehorchte.
    Laß uns noch einmal zu Dritt und immer wieder das Sakrament feiern: Du kniest, ich stehe hinter trockener Haut. Dein Schweiß erweitert Poren. Auf belegter Zunge lädt Hochwürden die Hostie ab. Eben noch reimten wir uns alle drei auf dasselbe Wort, da läßt ein Mechanismus Deine Zunge einfahren. Lippen kleben wieder. Dein Schlucken pflanzt sich fort, und indem der große Artikel nachbebt, weiß ich, der Große Mahlke wird die Marienkapelle gestärkt verlassen, sein Schweiß wird trocknen; wenn gleich darauf sein Gesicht dennoch feucht glänzte, näßte es Regen. Draußen, vor der Kapelle nieselte es.
    In der trocknen Sakristei sagte Gusewski: »Er wird vor der Tür stehen. Man sollte ihn vielleicht hineinrufen aber . . .« Ich sagte: »Lassen Sie nur, Hochwürden. Werde mich schon um ihn kümmern.«
    Gusewski mit den Händen bei den Lavendelsäckchen im Schrank: »Er wird doch wohl keine Dummheiten machen wollen?« Ich ließ ihn angekleidet stehen, half nicht beim Ablegen: »Da halten Sie sich am besten ganz raus, Hochwürden.« Sagte aber auch zu Mahlke, als der in Uniform und regennaß vor mir stand: »Du Idiot, was willste denn noch hier? Mach, daß Du nach Hochstrieß auf die Frontleitstelle kommst. Laß Dir was einfallen, von wegen Urlaubüberschreiten. Ich will damit nichts zu tun haben.« Hätte mit dem Wort gehen sollen, blieb aber und wurde naß: Regenwetter verbindet. Versuchte es mit Gutzureden: »Die werden nicht gleich beißen. Kannst ja sagen, mit Deiner Tante oder Mutter war irgend was los.«
    Mahlke nickte, wenn ich einen Punkt machte, ließ manchmal den Unterkiefer fallen, lachte grundlos, sprudelte über: »War doll gestern mit der kleinen Pokriefke. Hätt ich nicht gedacht. Die ist ganz anders, als sie tut. Also ehrlich gesagt: Wegen der will ich nicht mehr raus. Hab schließlich meinen Teil erledigt – oder? Werde einen Antrag stellen. Können mich ja nach GroßBoschpol als Ausbilder abschieben. Jetzt sollen mal andere die Schnauze hinhalten. Nicht daß ich Angst habe, hab einfach genug. Kannste das verstehen?« Ich ließ mir nichts vormachen und nagelte ihn fest: »So, wegen der Pokriefke also. Die war aber gar nicht. Die fährt Linie Zwei nach Oliva und nicht Linie Fünf. Das weiß hier jeder. Schiß hast Du – kann ich gut verstehen!«
    Er wollte mit ihr unbedingt was gehabt haben: »Mit Tulla, das kannste ruhig glauben. Sogar bei ihr zu Hause, Eisenstraße. Ihre Mutter guckt weg. – Aber es stimmt, ich will nicht mehr. Vielleicht hab ich auch Angst. Vorhin, vor der Messe, da hatte ich welche. Jetzt ist schon besser.«
    »Denk, Du glaubst nicht an Gott und sowas.« »Das hat mit dem überhaupt nichts zu tun.« »Na schön, Schwamm drüber, und was jetzt?«
    »Vielleicht könnte man bei Störtebeker und den Jungs, Du kennst die doch.« »Nee, mein Lieber. Mit dem Verein habe ich nichts mehr. Fingerchen verbrennen und so weiter. Da hättste besser bei der Pokriefke angefragt, wenn Du wirklich mit ihr bei ihr zu Hause . . .« »Kapier doch : In der Osterzeile kann ich mich nicht mehr blicken lassen. Wenn die nicht schon da sind, dauert es auf keinen Fall lange – sag mal, kann ich bei Euch im Keller, für'n paar Tage bloß?« Aber ich wollte abermals nichts damit zu tun haben: »Kriech sonstwo unter. Ihr habt doch Verwandte auffem Land, oder bei den Pokriefkes im Holzschuppen der Tischlerei, die ihrem Onkel . . . Oder auf dem Kahn.«
    Das Wort trug eine Weile. Zwar sagte Mahlke noch: »Bei dem Sauwetter?« aber es war schon alles beschlossen; und wenn ich mich zäh und viel redend weigerte, ihn zum Kahn zu begleiten, gleichfalls vom Sauwetter sprach, zeichnete sich dennoch ab, daß ich mit ihm mußte: Regenwetter
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