Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Titel: Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen
Autoren: Sabine Klewe
Vom Netzwerk:
Erklärung für diese abgrundtiefe Erschöpfung. Es war, als hätte eine riesige Spinne sie über Nacht in ihr Netz eingesponnen, um sie zum Frühstück zu verspeisen; sie fühlte sich gelähmt, vollkommen machtlos über ihren eigenen Körper.
    Erneut versucht sie, sich aufzurichten. Sie konnte ihre Arme kaum bewegen, aber es gelang ihr schließlich, ihren Oberkörper in eine aufrechte Position zu bringen. Ihr Blick fiel auf einen kleinen Schemel auf dem Boden und ein heißkalter Schreck durchfuhr sie. Hastig sah sie sich um. Sie kannte weder den Schemel noch das leere Holzregal an der Wand, noch die massig wirkende Zimmertür. Ganz zu schweigen von der harten, unbequemen Liege, auf der sie saß.
    Das war nicht ihr Schlafzimmer! Das war ein Ort, an dem sie noch nie zuvor gewesen war! Panik stieg in ihr auf. Sie blickte an sich hinunter und entdeckte die Wäscheleine, mit der ihre Fußgelenke aneinandergefesselt waren. Jetzt spürte sie auch die Leine an ihren Handgelenken. Und sie begriff, warum ihr das Atmen so schwer fiel.
    Sie war gefesselt und geknebelt.

    ***

    Ein schriller Ton riss Detlev Kraus unsanft aus seinem Traum. Dabei hatte es gerade angefangen interessant zu werden. Er lag auf dem Bauch im Sand unter einer Schatten spendenden Palme und eine langbeinige, feurige Südseeschönheit massierte ihm sanft den Rücken. Sie hätte sicher noch weitere reizvolle Dinge mit ihm angestellt, aber das würde er nie erfahren. Verschlafen stolperte er zum Telefon und brummte missmutig seinen Namen in die Muschel.
    »Haste schon gehört?« Sonja schrie fast. Sie schrie eigentlich immer. Es lag an ihrer Stimme. Detlev hielt den Hörer weiter vom Kopf weg und gähnte. »Was denn?«
    »Das Oberschwein ist getürmt. Schon wieder.«
    »Was?!« Detlev war mit einem Schlag wach. »Was heißt ›getürmt‹?«
    »Na, getürmt heißt getürmt, eben. Hat ’ne Fliege gemacht. Die Drecksau hat die Idioten in der Klinik ausgetrickst. Hat irgendwie dafür gesorgt, dass er ins Krankenhaus muss, und schwupps, weg war er. Hat sich vom Acker gemacht. So wie die Dinge halt immer laufen. Diese Schwerverbrecher leben behaglich auf Staatskosten, und wenn sie keinen Bock mehr haben, hauen sie einfach ab. Kein Schwein passt anständig auf die auf. Und wir können sehen, wie wir uns in Sicherheit bringen. Der Kerl kann sonst was anstellen, bis sie den wieder schnappen.«
    Sonja hatte sich in Rage geredet und ihre Stimme hatte jetzt die Tonlage erreicht, die sogar für einen wachen und ausgeruhten Schädel dicht an der Schmerzgrenze war. Detlev zog sein T-Shirt hoch und klemmte es zwischen sein Ohr und das Telefon.
    »Weißt du schon Näheres?« In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Er ging bereits die Möglichkeiten durch. Das war die Chance, für Aufsehen zu sorgen und die Bevölkerung zu mobilisieren. Und das so kurz vor Weihnachten. Einfach perfekt.
    »Nee, ich weiß nur das, was ich gerade in den Nachrichten gehört habe.«
    »Gut.« Detlev dachte kurz nach. Dann wies er sie an: »Du informierst die anderen. Wir treffen uns pünktlich um zwei bei mir zur Lagebesprechung. Alles Weitere klären wir dann. Und haltet euch bereit. Das wird ein langes Wochenende.«

    ***

    Ein leichter Wind hatte eingesetzt und blies seinen eisigen Atem durch die Straßen. Ingbert Huschke nahm die Plastiktüte in die andere Hand. Seine Finger waren steif gefroren. Es wurde Zeit, dass er sich irgendwo ein warmes Plätzchen suchte. Er hätte vielleicht doch besser im Zentrum bleiben sollen. Hier trieb sich weit und breit niemand herum, den er kannte. Allerdings musste hier irgendwo dieses Haus sein, von dem die anderen erzählt hatten. Er schlurfte ein paar Meter weiter, dann blieb er unvermittelt stehen. Hier war es. Es sah ein wenig so aus wie das, das er selbst mal besessen hatte. Damals, in einem anderen Leben. Unentschlossen stand er einen Augenblick auf dem Bürgersteig und musterte die Front mit wachsamen Augen. Er stellte die Plastiktüte im Schnee ab und rieb sich die durchgefrorenen Hände.
    Eine ältere Dame kam vorbei und beäugte ihn misstrauisch. Er verbeugte sich galant und grüßte sie, aber sie schüttelte nur den Kopf und murmelte etwas vor sich hin. Er verstand lediglich die Worte ›Schmutz‹ und ›unglaublich‹ und reimte sich den Rest zusammen. Es gehörte nicht viel Phantasie dazu.
    Jetzt bog ein Wagen um die Ecke. Es wurde Zeit, dass er sich verdünnisierte. Er wollte nicht auffallen. Nicht mitten am Vormittag. Er würde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher