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Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen

Titel: Katrin Sandmann 03 - Wintermärchen
Autoren: Sabine Klewe
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zusammengebrochen. Ein Spaziergänger hat ihn gefunden. Seither hat er das Haus nicht mehr verlassen.«
    Sie schwieg abwartend, doch Katrin am anderen Ende der Leitung blieb stumm.
    »Was werden Sie jetzt tun?«, fragte Gina schließlich.
    »Ich bin sehr müde. Ich glaube, ich werde mich noch ein bisschen auf die Seite drehen und schlafen.« In der Leitung raschelte etwas, so als hätte sie sich tatsächlich gerade hingelegt. »Aber das ist nicht die Antwort, die Sie hören wollten. Ich weiß.«
    »Ich kann Sie nicht darum bitten, das Gesetz zu brechen, nur um – «, begann Gina, doch Katrin unterbrach sie.
    »Ich werde der Polizei nichts von diesem Gespräch erzählen. Niemand hätte etwas davon, wenn Ihr Bruder für die letzten Tage seines Lebens noch einmal eingesperrt würde. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Und frohe Weihnachten«
    »Ihnen auch frohe Weihnachten. Danke.«
    »Eine Frage hätte ich allerdings noch.«
    »Ja?«
    »Diese Dagmar, sie war überzeugt davon, dass Ihr Bruder unschuldig ist. Sie hat geglaubt, dass er sich damals nur wichtig tun wollte, als er die Taten gestand.«
    Gina setzte sich auf einen der Stühle in der Essecke. Die Katze verzog sich mit einem eleganten Sprung auf die Mauer. An ihrer Stelle tauchten ein paar Spatzen auf und pickten neugierig in dem aufgewühlten Beet herum. Tausend Mal hatte sie sich diese Frage gestellt, und tausend Mal hatte sie die Antwort nicht gewusst. Sie dachte an den kleinen Jungen, mit dem sie im Kinderzimmer Türme aus Bauklötzen gebaut hatte, die allerhöchsten Türme, bis hinauf zur Zimmerdecke. Sie war sechs Jahre älter als er, und damals war er fast so etwas wie eine lebendige Puppe für sie gewesen. Sie hatte ihm ihre alten Kleider angezogen, ihn gekämmt und ihm Zöpfe gemacht. Dann hatte sie ihn ins Puppenbett gesetzt und gefüttert. Er war immer still und brav gewesen, hatte jedes Spiel mitgespielt, das sie sich ausdachte.
    Und dann hatte sie eines Tages seine Käfersammlung entdeckt. Er hatte die Tiere mit Nadeln auf ein Küchenbrettchen gespießt, ihr Lieblingsbrettchen, von dem sie so gern aß, das mit Rotkäppchen und dem Wolf drauf. Er hatte sie lebendig aufgespießt. Einer, ein kleiner Marienkäfer, lebte noch und zappelte hilflos mit den Beinchen.
    Sie hatte ihn entsetzt angestarrt und er hatte gegrinst. Nie wieder hatte sie von dem Brettchen gegessen, aber sie besaß es immer noch. Es lag in der hintersten Ecke der Küchenschublade, die all die Dinge enthielt, die sie selten brauchte. Sie hatte es beinahe vergessen. Aber es war da. Sie atmete heftig ein und aus, um die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. Schließlich rang sie sich zu der ehrlichsten Antwort durch, die sie geben konnte.
    »Ich wünschte, ich wüsste es. Aber ich weiß es einfach nicht.«

    ***

    »Okay, mach den Mund auf.«
    »Du spinnst wohl, ich bin doch kein Baby! Ich kann durchaus allein essen.« Katrin verschränkte die Arme vor der Brust. Doch Manfred hielt ihr hartnäckig den Löffel unter die Nase.
    »Nun mach schon. Ich weiß, dass du das allein kannst. Aber nicht heute. Also, sei ein braves Mädchen. Einen für die Mama, einen für den Papa, einen für den lieben Manfred …«
    Er fütterte sie, bis sie die Suppe aufgegessen hatte. Dann stellte er den Teller auf der Kommode ab. »Siehst du, hat doch wunderbar geklappt.«
    Katrin verdrehte die Augen. »Und was soll ich jetzt machen? Ein Mittagsschläfchen? Oder erst das Bäuerchen?«
    »Schlafen wäre vermutlich das Beste. Du siehst immer noch ganz schön fertig aus.«
    »Na, danke. Du warst auch schon mal charmanter.« Sie warf ein Kissen nach ihm, aber er blieb ernst und ergriff Katrins Hand. »Ich habe wirklich verdammtes Schwein gehabt.«
    »Und ich erst.« Katrin grinste. »Gibt es irgendetwas Neues? Ich bin ja ans Bett gefesselt und kriege nicht viel mit.«
    »Nicht wirklich«, antwortete Manfred. »Jeanette hatte ihren großen, tränenreichen Auftritt vor der Presse. Danach hat sie der Polizei ein paar Unterlagen gegeben, die sie aus der Wohnung ihrer Schwester hatte verschwinden lassen. Angeblich ist auch ein Zeitungsartikel über dich dabei, in dem groß und breit über diese Mordserie im September berichtet wird, in die du verwickelt warst. So ist sie wohl auf dich gestoßen. Ich nehme an, sie dachte, du gäbst ein ideales Opfer ab, weil du gute Nerven hast und nicht gleich durchdrehst.«
    »Na, wunderbar.«
    »Eigentlich ist alles geklärt«, fuhr Manfred fort, ohne auf ihren Kommentar einzugehen.
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