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Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel

Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel

Titel: Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel
Autoren: Sabine Klewe
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Gewalt und Mord aus der Stadt geschwappt und in den Wald geflutet, in seinen Wald, sein Zuhause. Halverstett machte ein paar Schritte den Weg entlang. Er versuchte, den lächerlichen Gedanken abzuschütteln. Er wurde alt. Das waren die ersten Anzeichen.
    Er war immer davon ausgegangen, dass er, je älter er wurde, immer mehr abstumpfen würde. Aber das Gegenteil war der Fall. Jeder Fall, den er abschloss, legte sich wie eine Bürde auf seine Schultern. Vermutlich lag es daran, dass sein Beruf es mit sich brachte, dass er viel mehr von der Schattenseite dieser Welt sah. Sein Blick auf die Dinge war verzerrt. Jeden Tag wurde er mit Verbrechen konfrontiert, mit Hass, Habgier und Gewalt. Und der Kampf dagegen, den er als junger Mann mit Euphorie geführt hatte, kam ihm jetzt zunehmend lächerlich vor, sinnlos, banal.
    Halverstett warf einen letzten Blick auf die Spielstätte seiner Kindheit, glaubte für einen Augenblick den kleinen Jungen zu sehen, in kurzen Hosen, ein echtes Schweizer Taschenmesser in der Hand, sein ganzer Stolz. Dann wandte er sich energisch ab und stapfte mit festen Schritten auf die kleine Brücke über die Düssel zu.
    Auf halber Strecke stieß er auf den Notarzt, der Kai Rutkowski untersucht hatte, nachdem man ihn vom Baum abgeschnitten hatte. Er kniete noch immer neben der Leiche. Jetzt erhob er sich schwerfällig. Halverstett sprach ihn an.
    »Können Sie schon irgendwas sagen ?«
    Der Arzt nickte. »Es sieht so aus, als sei der Mann bewusstlos gewesen, als er aufgeknüpft wurde. Und sehen Sie mal hier .« Er beugte sich noch einmal hinunter und zog den weinroten Wollpullover hoch, den Rutkowski trug. Auf dem Bauch des Leichnams befanden sich zahlreiche kleine Einstichstellen. » Hypoglykämie , vermute ich .«
    Halverstett runzelte die Stirn. » Hypowas ?«
    » Hypoglykämie . Unterzuckerung. Er hatte vermutlich Diabetes. Daher die Einstiche.« Er hielt einen stiftähnlichen Gegenstand hoch. »Das ist ein Insulin-Pen . Den habe ich in seiner Jackentasche gefunden. So ein Pen wird heutzutage meistens anstelle einer Spritze benutzt, weil er leichter zu handhaben ist .« Der Arzt stand wieder auf. »Der Mann musste regelmäßig Insulin spritzen. Wenn man allerdings nach dem Insulinspritzen nichts isst oder sich sehr stark körperlich anstrengt, kann es passieren, dass Unterzuckerung eintritt. Die Symptome reichen von leichter Konzentrationsschwäche bis hin zu Krampfanfällen und Bewusstlosigkeit. Natürlich kann ich noch nichts Genaues sagen, aber es sieht sehr danach aus, als wäre genau das passiert. Das würde übrigens auch erklären, warum er sich offensichtlich gar nicht gewehrt hat .«
    »Das würde vor allem auch erklären, wie dieser Heinrich drei Männer gleichzeitig in Schach halten konnten. Das hat mir nämlich ein wenig Kopfzerbrechen bereitet«, ergänzte Halverstett . »Aber wenn einer der Männer bereits bewusstlos war, war es natürlich weniger schwierig. Ich danke Ihnen .« Der Kommissar klopfte dem Arzt auf die Schulter und setzte seinen Weg Richtung Brücke fort.
    Ein Auto rollte auf den engen Parkplatz, als Halverstett dort ankam. Er erkannte, dass es Fischers schwarzer BMW war. Der Staatsanwalt stieg aus und grüßte Halverstett mit einer Handbewegung.
    »Schöne Scheiße«, murmelte er dann und blickte sich um.
    Der Leichnam von Kai Rutkowski wurde gerade vorbeigetragen . »Sieht so aus, als hätten wir morgen früh wieder ’ne Autopsie zusammen .«
    Fischer starrte eine Weile auf das Treiben um ihn her. Dann sah er Halverstett fragend an. »Wissen Sie eigentlich, ob die verheiratet ist ?«
    Der Kommissar runzelte fragend die Stirn, dann begriff er.
    »Ach, diese Ärztin, Lahnstein, meinen Sie. Keine Ahnung.«
    Er zuckte die Schultern und lächelte. Wenigstens einer, der sich auf den morgigen Arbeitstag freute. Wenn man genau hinsah, gab es auch in den dunkelsten Ecken immer noch ein wenig Licht.

     
    Katrin nippte an dem heißen, süßen Tee, den Manfred gekocht hatte, und lehnte sich im Schaukelstuhl zurück. Sie trug eine ausgeleierte, blaue Jogginghose und dicke Wollsocken. Rupert hatte sich auf ihrem Schoß zusammengerollt und schnurrte geräuschvoll.
    Manfred stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster, starrte hinunter auf die vom Licht der Straßenlaternen schwach beleuchtete Karolingerstraße und beobachtete, wie eine ältere Dame umständlich aus einem Taxi stieg.
    Einen Augenblick lang hingen beide ihren Gedanken nach, und in der Wohnung herrschte absolute Stille,
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