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Kaste der Unsterblichen

Kaste der Unsterblichen

Titel: Kaste der Unsterblichen
Autoren: Jack Vance
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benötigen Sie auch gar nicht«, sagte Waylock. »Sie müssen nur beweglich sein und eine gute Puste haben. Die Verrückten jagen Sie herum, bis ihnen die Luft ausgeht. Sie sind der richtige Mann dafür, Basil Thinkoup!«
    Basil schüttelte zweifelnd den Kopf. »Eine Vorstellung, die nicht ohne einen gewissen Reiz ist …«
    »Ich würde es auf jeden Fall versuchen.«
    Basil hatte es versucht und innerhalb von fünf Jahren die Keil-Einstufung erlangt. Seine Dankbarkeit gegenüber Waylock kannte keine Grenzen. Als sie jetzt vor dem Haus des Lebens standen, klopfte er Waylock auf den Rücken. »Besuchen Sie mich im Palliatorium. Ich bin immerhin Psychiaterassistent – wir tüfteln schon etwas aus, um Ihre Steigung in Schwung zu bringen. Zunächst warten natürlich nur einfache Arbeiten auf Sie, aber Sie haben die Möglichkeit, auf der Erfolgsleiter nach oben zu klettern.«
    Waylock lachte. »Ich soll als Punchingball für die Kattos fungieren? – Nein, das ist nichts für mich, Basil.« Er schob sich in die Nische zurück und drängte sich in den Nebel aus Ewigkeitssymbolen. Seine Stimme dröhnte: »Erhöht eure Steigung! Unterweiser Moncure besitzt den Schlüssel des Lebens! Lest seine Traktate, nehmt seine Elixiere ein, besucht seine Lebenslektionen! Steigung, Steigung!«
     
3
     
    Dem Begriff Steigung lag zu dieser Zeit eine besondere Bedeutung zugrunde. Steigung bezeichnete das Ausmaß des Aufstiegs eines Menschen durch die Einstufungsphylen. Sie brachte die Bewertung seines vergangenen Lebens zum Ausdruck und bestimmte den Zeitpunkt seines endgültigen Dahinscheidens. Genaugenommen kennzeichnete das Wort Steigung die Lebenslinie eines Menschen, die Extraktion seiner Leistungen in bezug auf das Alter.
    Die Grundlage dieses Systems bildete das Ehrlichspiel-Gesetz, das vor dreihundert Jahren während des Malthusischen Chaos verabschiedet worden war. Eine solche Rechtsbestimmung hatte sich bereits zur Zeit von Leeuwenhoek und Pasteur angekündigt; aufgrund von Art und Verlauf der Menschheitsgeschichte war sie zu einer zwingenden Notwendigkeit geworden. Durch immer effektivere medizinische Behandlungsmethoden hatte man Krankheiten und Degeneration auf ein Minimum beschränkt, wodurch die Rate des Bevölkerungswachstums ungeheuer stark angestiegen war, was zu einer jeweiligen Verdoppelung innerhalb weniger Jahre geführt hatte. Blieb es bei dieser Zuwachsrate, dann würde die Erde in drei Jahrhunderten von einer dreißig Meter hohen Schicht aus menschlichen Leibern bedeckt sein.
    Theoretisch betrachtet war dieses Problem durchaus lösbar: zwangsweise Geburtenkontrolle, umfassende Produktion synthetischer und pelagischer Nahrungsmittel, Urbarmachung von Wüsten, Euthanasie für Minderbegabte und Anormale. Aber in einer Welt mit tausend gegensätzlichen Lebenseinstellungen und Philosophien war es unmöglich, diese Theorie in die Praxis umzusetzen. Gerade als das Großligainstitut eine Methode entwickelte, die schließlich und endgültig das Alter besiegte, brachen die ersten Unruhen aus. Das Jahrhundert des Malthusischen Chaos hatte begonnen: Der Große Hunger ging um.
    Der Aufruhr erfaßte die ganze Welt, Banden von Plünderern lieferten sich lokale Kriege. Städte wurden überfallen und niedergebrannt, wilde Horden durchstreiften das Land auf der Suche nach Nahrung. Die Schwachen gingen zugrunde – bald gab es mehr Tote als Lebende.
    Die Verheerung erstickte in ihrer eigenen Gewalt. Die Welt war gebrandmarkt, die Bevölkerung um drei Viertel reduziert. Rassen und Nationalitäten vermischten sich. Politische Gemeinwesen und Grenzen verschwanden und wurden ersetzt von Gebieten wirtschaftlicher Staatsorganisation.
    Eine dieser Regionen, die Enklave Clarges, war vergleichsweise glimpflich davongekommen – sie wurde zum Hort der Zivilisation. Ihre Grenzen wurden notwendigerweise geschlossen. Der Mob von draußen stürmte gegen die Elektrobarrieren, als hoffte er, die Sperren durch reine Willensanstrengung überwinden zu können. Die verkohlten Leichen lagen zu Hunderten auf dem Boden verstreut.
    Dadurch entstand der Mythos von der Erbarmungslosen Enklave, und kein Nomadenkind wuchs auf, ohne das Lied des Hasses gegenüber Clarges singen zu lernen.
    In der Enklave war auch das Großligainstitut ansässig, das seine Forschungen weiterhin betrieb. Man munkelte, die Angehörigen des Instituts unterzögen sich Langlebigkeitsbehandlungen. Das Gerücht entsprach nur zum Teil der Wahrheit: Das Endprodukt des
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