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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Autoren: Tim Weiner
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Vorwort zur deutschen Ausgabe
    Im Sommer 1945 erblühte in den Trümmern von Berlin eine seltsame Romanze – amerikanische und deutsche Geheimdienstler umwarben einander. Männern wie Captain John R. Boker jr., in dessen Familienstammbaum deutsche Vorfahren zu finden waren, leuchtete das Argument dafür unmittelbar ein. »Damals war der ideale Augenblick, um Informationen über die Sowjetunion zu gewinnen – wenn wir je welche bekommen wollten«, sagte er. Als erster Amerikaner rekrutierte Captain Boker General Reinhard Gehlen, den Leiter der Abteilung fremde Heere Ost in Hitlers Generalstab, der an der Ostfront gegen die Rote Armee eingesetzt war. Die neue Beziehung ruhte auf einem Gedanken, der so alt ist wie der Krieg selbst: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.
    Gehlen war ganz versessen darauf, für die Amerikaner zu arbeiten. »Von Anfang an«, sagte er später, »haben mich folgende Überzeugungen geleitet: Die entscheidende Kraftprobe zwischen Ost und West ist unvermeidlich. Jeder Deutsche ist verpflichtet, sein Teil dazu beizutragen, sodass Deutschland die Aufgabe hat, die ihm zufallenden Missionen für die gemeinsame Verteidigung der christlichen Zivilisation des Westens zu erfüllen.« Seinen neuen Verbündeten bot Gehlen – wie er es nannte – »gute Deutsche«, die ideologisch auf einer Linie mit dem siegreichen Westen seien.
    Der damalige Augenblick war das Spionage-Pendant zum letzten Satz des großartigen, 1942 gedrehten Kriegsfilms Casablanca , als der amoralische Rick Blaine, gespielt von Humphrey Bogart, sich zu seinem ebenso amoralischen neuen Verbündeten, dem französischen Polizeichef und Kollaborateur Louis Renault, gespielt von Claude Rains, umdreht und sagt: »Louis, ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.« Und so war es. Aber sie brachte Tragödien und Vertrauensbrüche mit sich.
    Allen Dulles, einer der Gründungsväter der Central Intelligence Agency, fand die Anwerbung von General Gehlen prachtvoll: »Im Spionagegeschäft gibt es selten Heilige. Er ist auf unserer Seite, und nur das zählt.« Das Interesse der Amerikaner am Erwerb auch noch der geringfügigsten Information, die Gehlen über die Sowjets besaß, wog schwerer als die Frage, was er und seine Leute während des Krieges getan hatten. Die gerade erst flügge gewordene CIA übernahm 1949 Gehlen mitsamt seinem Arbeitsbereich von der US-Armee. Für bares Geld kaufte sie die Organisation Gehlen und machte sich daran, sie in einen westlichen Nachrichtendienst umzuwandeln. Im Jahr 1956 wurde sie zum Bundesnachrichtendienst (BND) der Bundesrepublik Deutschland; an dessen Spitze stand General Gehlen bis 1968.
    Die Wurzeln des westdeutschen Nachrichtendienstes liegen also in Washington. Wie bei einem verpflanzten Baum bewahren seine Verästelungen noch immer etwas von dem Boden, aus dem er seine Nahrung zog. Und obgleich er und sein amerikanisches Gegenstück heute lückenlos zusammenarbeiten, ist die Beziehung zwischen beiden kühl, korrekt, kalkuliert und von Vorsicht geprägt. Staaten haben keine Freunde, nur Interessen – diesen Satz hat man unter anderem Bismarck, John F. Kennedy und Henry Kissinger zugeschrieben; aber wahr ist er unabhängig von seiner Herkunft. Nachrichtendienstler kennen ihn gut. Einen befreundeten ausländischen Geheimdienst gibt es nicht. Jede Verbindung ist gefährlich, das musste die CIA zu ihrem Kummer im Nachkriegsdeutschland erfahren.
    Der Kampf, der 1945 begann, als Soldaten und Spione der Vereinigten Staaten und Großbritanniens am 4.Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, ihre Berliner Sektoren übernahmen, spielte sich auf Straßen ab, in denen Tod und Zerstörung überall ihre Spuren hinterlassen hatten. Die Westalliierten hatten Berlin mit Bomben das Rückgrat gebrochen, und die Soldaten der Roten Armee hatten seine Knochen abgenagt. Hungrige Kinder und streunende Hunde suchten in den Straßen nach Nahrung. Auge in Auge standen sich Amerikaner und Russen in den Trümmern des Dritten Reiches gegenüber, und weder den einen noch den anderen gefiel, was sie sahen. Die Berliner waren über die Besatzungstruppen der Westmächte alles andere als erfreut. Im sowjetischen Sektor indes gab es, in Überschreitung sämtlicher Grenzen des Kriegsrechts, so viel Vergewaltigung und Mord, dass von den ersten Tagen der langen Besatzungszeit an die Grenzlinien klar und deutlich gezogen waren.
    Was die amerikanischen Spione in den ersten Jahrzehnten des Kalten Krieges von
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