Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaste der Unsterblichen

Kaste der Unsterblichen

Titel: Kaste der Unsterblichen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
war.
    Das Ehrlichspiel-Gesetz trat zusammen mit der Zusatzbestimmung in Kraft. Fast die gesamte Bevölkerung unterwarf sich der Neuregelung. In Keil aufzusteigen verursachte keine größeren Probleme, besonders während der ersten Jahre nicht. Für gewöhnlich reichten eine Aufstellung über soziale Verantwortlichkeit, aktive Teilnahme an staatsbürgerlichen Angelegenheiten und produktive Arbeit aus. Der Zugang zu den höheren Phylen war schon schwieriger, doch für Leute mit Ehrgeiz und Fähigkeiten durchaus möglich. Die Zwänge des neuen Systems riefen viele solcher Persönlichkeiten auf den Plan, und das führte Clarges in ein Goldenes Zeitalter. Wissenschaft, Kunst, Technik und Handwerk, alle Bereiche von Wissen und Leistung, erlebten eine ungeahnte Blüte.
    Im Laufe der Jahre wurde das Ehrlichspiel-Gesetz abgeändert. Die Lebensjahrzuweisungen jeder Einstufungsphyle wurden anders definiert und von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht, die in einer Formel zum Ausdruck kamen, die auf Faktoren wie Jahresproduktion, Angehörigenzahl jeder Phyle, dem Anteil der Lulks und ähnlichen Werten basierte.
    Um diese Formel auf die Leistungsbilanz jedes Individuums anzuwenden, wurde ein riesiger Rechner mit der Bezeichnung »Aktuarius« gebaut. Außer der Berechnung und Aufzeichnung nahm der Aktuarius auch noch die Aufgabe wahr, auf Anforderung persönliche Lebensdiagramme zu erstellen, die dem Antragsteller die Steigung oder Neigung seiner Lebenslinie offenbarten – ob sie sich entweder der horizontalen Trennungslinie der nächsten Phyle näherte oder aber dem vertikalen Terminator.
    Wenn die Lebenslinie den Terminator erreichte, erfüllten der Emigrationsbeamte und seine Assassinen ihre unangenehme Pflicht, die das Gesetz ihnen abverlangte. Es war ein unbarmherziges Verfahren, aber es war auch ordnungsgemäß – und absolut notwendig.
    Das System besaß allerdings auch einige Unzulänglichkeiten. Kreative Geister neigten dazu, in bereits entwickelten Bereichen tätig zu werden und jene Gebiete zu meiden, auf denen vielleicht nur wenige Karrierepunkte zu holen waren. Die Künste wurde wissenschaftlichen Maßstäben unterworfen. Nonkonformität, Phantasie und Beweglichkeit des Denkens fand man nur noch bei den Lulks – obwohl bei ihnen in dieser Hinsicht vieles verschroben und makaber war.
    Furcht und Frustration waren übliche Begleiterscheinungen beim Aufstieg durch die Einstufungsphylen – die Palliatorien waren voll von Leuten, die aus der Realität geflohen waren und den Kampf um Steigung aufgegeben hatten.
    Binnen weniger Generationen war alles Denken und Streben in der Enklave auf die Notwendigkeit von Steigung ausgerichtet. Jede Stunde wurde entweder der Arbeit gewidmet, der Planung der Arbeit oder dem Studium von Methoden, die Erfolg ermöglichten. Hobbys und sportliche Betätigung wurden selten, gesellschaftliche Veranstaltungen kaum noch besucht. Ohne ein Sicherheitsventil hätte der Durchschnittsbürger den nervlichen Zusammenbruch und die Einweisung in ein Palliatorium so gut wie nicht vermeiden können. Kharnevall stellte dieses Sicherheitsventil dar. Ein- oder zweimal im Monat kam der durchschnittliche Einwohner von Clarges nach Kharnevall, und ein oder zwei der dort üblichen Kostüme waren wesentlicher Bestandteil jeder vollständigen Garderobe. In Kharnevall konnte der gewöhnliche Bürger, dessen Gedanken sonst nur auf seine Arbeit fixiert waren, zeitweise Vergessen finden. Hier vermochte er jede verdrängte Sehnsucht zu erfüllen, jede Frustration zu kompensieren.
    Gelegentlich kamen selbst die Amarant in prächtigen Kostümen nach Kharnevall. Unerkannt unter den Masken konnten sie hier Ablenkung finden von den Zwängen ihrer eigenen hohen Position.
     
    Nach Kharnevall kam auch Die Jacynth Martin, erst seit drei Jahren Amarant, gerade zwei Wochen aus der Separation.
    Dreimal hatte Die Jacynth Martin von Schwarm aus den Aufstieg versucht, zunächst als Spezialistin in mittelalterlicher Instrumentation und musikalischem Arrangement, dann als Konzertflötistin und schließlich als Kritikerin zeitgenössischer Musik. Dreimal war ihre Lebenslinie zunächst in einem steilen Winkel angestiegen, hatte sich dann jedoch wieder abgeflacht und der Horizontalen entgegengeneigt.
    Im Alter von achtundvierzig Jahren hatte sie ihr Fachgebiet mutig auf die gesamte Geschichte der Musikentwicklung ausgedehnt. Ihre Steigung wies daraufhin einen erheblichen Winkel auf, und mit vierundfünfzig gelang ihr der Durchbruch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher