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Kaste der Unsterblichen

Kaste der Unsterblichen

Titel: Kaste der Unsterblichen
Autoren: Jack Vance
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Begeisterungsrausch von Kharnevall zu einer eigenständigen Essenz. Die Feiernden drängten sich durch die Klangvorhänge Hunderter Blas- und Zupfinstrumente. Sie atmeten aromatische Staubwolken und pastellfarbene Nebelschleier. Sie trugen Kostüme und Kopfbedeckungen und Masken. Hemmungen und Einschränkungen waren wie spröde Kokons, die freudig durchbrochen wurden. Sie erkundeten das Sonderbare und Rätselhafte, spielten mit Schwindel und Paroxysmus und stellten die Vielseitigkeit der menschlichen Sensibilität auf die Probe.
    Um Mitternacht erreichte der Tumult in Kharnevall seinen Höhepunkt. Es gab keine Zurückhaltung und Bedenken mehr, und Tugend und Laster verloren jede Bedeutung. Manchmal wurde aus dem schallenden Gelächter hysterisches Wehklagen, das jedoch rasch wieder verklang und in der Natur eines geistigen Orgasmus begründet lag. Spät in der Nacht ließ der Tatendrang der Massen allmählich nach und wurde von wachsender Unschlüssigkeit ersetzt. Kostüme waren in Unordnung, Masken beiseite geworfen. Müde, erschöpfte und abgestumpfte Männer und Frauen stolperten in die Zugänge des Röhrensystems, um nach Hause zu sausen und in ihre hochherrschaftlichen Villen oder Ein-Zimmer-Appartements von Balliasse bis Schrillstadt zurückzukehren. Alle fünf Einstufungsphylen kamen nach Kharnevall: Schwarm, Keil, Dritte, Rand und Amarant ebenso wie die Lulks. Sie kamen hier ohne Intrigenpläne oder Neid zusammen. Sie besuchten Kharnevall, um die Mühen und Anstrengungen ihres Daseins zu vergessen. Sie kamen, gaben ihr Geld aus und – was noch viel bedeutsamer war als Geld – verbrachten hier Augenblicke ihres Lebens.
     
2
     
    In einer Nische vor dem Haus des Lebens stand ein Mann mit Messingmaske und versuchte mit schallenden Rufen die Aufmerksamkeit der vorbeiströmenden Massen zu gewinnen. Funkelnde Unendlichkeitssymbole schwebten um seinen Kopf herum. Über ihm ragte das Idealbild eines Lebensdiagramms auf, in dem sich die glänzende Lebenslinie in einer perfekten Halbparabel durch die Geraden der verschiedenen Einstufungsphylen zog.
    Der Mann mit der Messingmaske sprach mit betonter Eindringlichkeit. »Freunde, welcher Phyle ihr auch angehört, lauscht meinen Worten! Ist euch das Leben einen Florin wert? Soll euer Leben um unzählige Jahre verlängert werden? Tretet ein in das Haus des Lebens! Ihr werdet Unterweiser Moncure und seine erstaunlichen Methoden preisen!«
    Er betätigte einen Schalter. Ein verhaltener Klang tönte aus einem verborgenen Lautsprecher, rauh und pochend, wurde dann schriller und lauter.
    »Steigung! Steigung! Kommt in das Haus des Lebens, erhöht eure Steigung! Laßt eure Zukunft von Unterweiser Moncure analysieren! Erfahrt die Methoden, die richtigen Techniken! Nur einen Florin für das Haus des Lebens!«
    Der Klang aus dem Lautsprecher wurde immer höher, rief ein Gefühl des Unbehagens und der Unentschlossenheit hervor, schrillte schließlich über die Schwelle des Ultraschalls hinaus und wurde unhörbar. Der Mann in der Nische sprach nun in einem beruhigenden Tonfall. Wenn der Klang die Anspannung des Daseins verkörpert hatte, dann stellten der Mann und seine Stimme Sicherheit und Beherrschung dar.
    »Jeder Mensch besitzt ein Gehirn, und alle sind nahezu identisch. Warum also sind einige Schwarm und Keil, andere Dritte, Rand und Amarant?«
    Er lehnte sich vor, als wollte er eine dramatische Enthüllung offenbaren. »Das Geheimnis des Lebens ist die richtige Technik! Unterweiser Moncure lehrt diese Methode! Ist euch die Ewigkeit einen Florin wert? Dann kommt – tretet ein in das Haus des Lebens!«
    Einige Passanten bezahlten den Florin und schoben sich durch den Eingang. Schließlich war das Haus voll.
    Der Mann mit der Messingmaske kletterte aus der Nische heraus. Eine Hand umfaßte seinen Arm, und er wirbelte mit einem jähen Ruck herum. Die Person, die an ihn herangetreten war, taumelte zurück.
    »Erschrecken Sie mich doch nicht so, Waylock! Ich bin’s nur – Basil.«
    »Das sehe ich«, sagte Gavin Waylock knapp. Basil Thinkoup war klein und feist und als Paradiesvogel kostümiert: Er trug eine Volantjacke mit Wedelabsätzen von einem metallisch glänzenden Grün. Seine Beine waren mit roten und grauen Schuppen bedeckt, und sein Gesicht wurde eingefaßt von schwarzen Federn, die wie die Blütenblätter einer Blume wirkten. Wenn er Waylocks Mangel an Zuvorkommenheit bemerkte, so zog er es vor, dies zu ignorieren.
    »Ich hatte erwartet, von Ihnen zu hören«, sagte
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