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Kaste der Unsterblichen

Kaste der Unsterblichen

Titel: Kaste der Unsterblichen
Autoren: Jack Vance
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Nach dem alten Brauch, der die Schönheit einer Frau mit einer Blume in Verbindung setzt, konnte man Die Jacynth mit einer Ingwerblüte vergleichen.
    Während des Aufstiegs durch die Einstufungsphylen hatte sie nur sporadische und oberflächliche sexuelle Erfahrungen gesammelt. Obwohl sie nie verheiratet gewesen war, hatte sie einen gesunden und völlig normalen Standpunkt im Hinblick auf diesen Aspekt des Lebens behauptet; und das Verlangen, das sie am frühen Abend während des Anlegens des hautengen Silberkostüms verspürt hatte, entstammte nicht nur dem Drängen und stolzen Sehnen ihres gesunden Körpers, sondern auch dem psychischen Antrieb, der bei den meisten neuen Amarant zu einer Phase der Ausgelassenheit führte. Sie kam ohne konkreten Wunsch oder ein bestimmtes Ziel nach Kharnevall und blieb unbehelligt von Anflügen böser Vorahnungen oder Gewissensbissen über ein zu erwartendes Schuldbewußtsein.
    Sie parkte ihren Luftwagen, schwebte auf einer Flinkscheibe durch eine transparente Röhre und gelangte so auf den Großplatz, dem pochenden Herz von Kharnevall.
    Hier zögerte sie, hingerissen von der Geräuschkulisse und den Farben, der Atmosphäre von Kharnevall.
    Die mit Flimmerpunkten besetzten Hüte, die glitzernden und phantasievollen Kostüme, die heiseren Stimmen; Glockengeläut, Melodien von Musikinstrumenten, das gedämpfte mechanische Rasseln, das aus allen Richtungen zu kommen schien; die schwache Duftnote von Schweiß; Augen, die wie berauschte Insekten durch Gesichtsmasken blinzelten; Lippen wie rosafarbene oder purpurne Lilien, die sich öffneten, um zu rufen, zu lachen und zu scherzen; Arme und Beine, die sich grotesk und possenhaft bewegten, improvisierte Kapriolen vollführten; das erotische Gleiten und Dahinschwingen; das Rascheln und Flattern von Kleidung, das Scharren von Schuhen oder Sandalen; die Röhren und Muster der Leuchthinweise; die schwebenden Lichter und Symbole: Kharnevall! Die Jacynth mußte sich nur einfügen in dieses Konglomerat, in ihm aufgehen, mit dem Strom schwimmen, verschmelzen mit dem Durcheinander von Kharnevall …
    Sie überquerte den Großplatz, gelangte durch die Unglaublichgasse zum Unteren Oval, schlenderte über die Arkadenstraße und betrachtete alles mit äußerstem Interesse und größter Aufmerksamkeit. Die Farben sprangen ihr mit der schrillen Intensität von Alarmglocken in die Augen. Sie vernahm Obertöne in Geräuschen – süß, hell, gellend –, die ihr zuvor als ganz gewöhnlich erschienen waren. Sie kam an etwas abseits gelegenen Veranstaltungskavernen vorbei, wo man jede Art von Abnormität besichtigen konnte, dann am Tempel der Wahrheit, an der Blauen Grotte, dem Labyrinth, der Erosfakultät, wo die verschiedenen Liebestechniken von gelenkigen Männern und Frauen mit gesetzten Mienen demonstriert wurden.
    Weit oben schwebten Hunderte von Leuchthinweisen, darunter auch das Zeichen des Hauses des Lebens. In einer höher gelegenen Nische stand ein Mann mit Messingmaske, und seine Stimme hallte über die Passanten hinweg. Ein unangenehmes Bild flackerte vor ihrem inneren Auge auf, eine Erinnerung an die Große Stupa von Tonpengh: der auf dämonische Weise beeindruckende und fesselnde Hohepriester, der die stöhnende Menge der Novizen ermahnte.
    Fasziniert blieb Die Jacynth stehen und hörte zu.
    »Freunde, was ist mir eurer Steigung?« rief Waylock. »Kommt ins Haus des Lebens! Unterweiser Bronzel Moncure wird euch helfen, wenn ihr dazu bereit seid! Von Schwarm zu Keil, von Keil zu Dritte, von Dritte zu Rand, von Rand zu Amarant! Warum mit Stunden geizen, wenn euch Unterweiser Moncure Jahre geben kann? Einen Florin, sage ich, nur einen Florin! Zuviel für ewiges Leben?« Seine Stimme war schneidend wie eine Messingsichel. »Erhöht eure Steigung! Unterzieht euch der Hypnoselektion, die euch ein eidetisches Gedächtnis beschert! Verankert das Wissen um Erfolg für alle Zeiten in euch, seht der Zukunft optimistisch entgegen! Nur einen Florin, um einzutreten in Unterweiser Moncures wunderbares Haus des Lebens!«
    Eine Gruppe von Passanten hatte sich vor der Nische versammelt. Waylock deutete auf einen Mann. »Sie! Sie Dritter dort! Wann steigen Sie in Rand auf?«
    »Oh, Sie irren sich. Ich bin Schwarm – als Handelsrollkutscher.«
    »Sie sehen wie ein Dritter aus, und in die Einstufung gehören Sie auch. Probieren Sie Unterweiser Moncures Lebenslektionen aus – und in zehn Wochen können Sie Ihrem Assassinen für immer Lebwohl sagen … Sie!« Er
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