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Karrieresprung

Karrieresprung

Titel: Karrieresprung
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Umfang nicht einmal in der mündlichen Verhandlung benutzt hatte.
    »Verstehe«, schnaubte Rosenboom ein ums andere Mal und akzeptierte zuletzt auch Knobels eiligen Abschied.
    Knobel wollte jetzt mit sich allein sein, wollte die Erleichterung auskosten, die sich zur Euphorie über seinen Auftritt steigerte und ihn in bisher nicht gekannter Erhabenheit aus dem Gerichtsgebäude trug. Er wählte nicht den direkten Weg zurück in die Kanzlei, sondern verweilte noch über eine Stunde im gegenüber gelegenen alten Café Freispruch in der Kaiserstraße. Er legte seine Robe über einen der roten Plüschsessel und sank zufrieden in ein barockes Sofa, genoss einen Kaffee, lutschte das zugegebene Stück Schokolade und fühlte sich als Weltkind inmitten seines Berufes.

    Knobel überlegte, ob er Löffke den Gang der Ereignisse schildern sollte. Er wollte seinen Triumph nicht zelebrieren und durch demonstrierten Stolz seinem Erfolg nicht die Selbstverständlichkeit nehmen, sondern vielmehr mit nüchterner Überlegenheit Professionalität beweisen. Doch schließlich sprudelte alles aus ihm heraus. Minutiös gab er jedes Detail wieder, schilderte die Mimik der Richter, des Gegners und seines Anwalts und schwenkte in seiner Beschreibung immer wieder auf Rosenboom, den er während der Verhandlung kaum angesehen hatte.
    »Zum Schluss musste der Gegner die weiße Fahne schwenken«, schloss er mit fester Stimme und bediente sich dabei Löffkes Ausdrucksweise.
    Löffke führte in seinen Akten Kriege. Seine Schriftsätze kesselten die Gegner ein. Bisweilen ergaben sie sich vorzeitig, manchmal bäumten sie sich auf, waren erst in der Gerichtsverhandlung bezwungen und starben dann eines schnellen Todes, wenn seine prozessualen Taktiken den Gegnern die Luft nahm. In der Regel gewann Löffke seine Prozesse so, wie er es vorhergesehen hatte.
    Knobel wusste, dass sein Vorgesetzter in Rosenbooms Fall das Entscheidende übersehen hatte und schon aus diesem Grunde seine Leistung nicht besonders hervorheben konnte. Dennoch vermisste er das anerkennende Lob. Es fehlten die bestätigenden streichelnden Worte aus berufenem Mund, die er wie ein Schüler immer dann zu erheischen trachtete, wenn er sich dem anderen als ebenbürtig erwiesen oder ihn sogar übertroffen hatte. Er litt, wenn Löffke ihm die Rolle des Schülers zuwies, umso mehr schmerzte es ihn, wenn er Schüler sein wollte und nicht durfte.
    Als er Lisa am Abend von seinem großen Tag erzählte, hielt sie zunächst mit ihren Erlebnissen dagegen. Anschließend tranken sie reichlich Wein und malten ihre Erlebnisse aus, jeder für sich. Zuletzt gewann er die Oberhand, und unversehens wurde Tassilo Rosenboom zur beherrschenden Figur des Abends. Er, Rosenboom, so Knobel, sei ein Mandant, den man nur richtig anfassen müsse. Ohne Zweifel würde Rosenboom ihn in der Zukunft dringend brauchen. Er, Knobel, würde ihm, Rosenboom, die juristischen Risiken erfolgsfest vom Leibe halten und mit ihm viel Geld verdienen, denn ein Mann wie Rosenboom bewege sich ständig auf juristisch riskantem Gelände, so dass im Laufe der Zeit eine partnerschaftliche, ja freundschaftliche Beziehung zu Tassilo Rosenboom genauso wenig zu vermeiden sei, wie die Tatsache, dass er, Rosenboom, ihn, Knobel, mit der Zeit Löffke, diesen schwitzenden Fleischkloß, der im Ring zu Boden ging und in Weinseligkeit nur allzu leicht zu überwinden war, vorziehen würde.
    An diesem Abend zog Knobel berauscht und feierlich in eines der schönen großen Büros mit den 100er-Nummern ein.
    Lisa relativierte seinen Sieg und nahm ihm das Besondere.
    Knobel schüttelte in trunkener Verständnislosigkeit den Kopf.
    Lisa dagegen musste keine Zimmer wechseln, ihr eigener Erfolg war nicht symbolisch.

7
    Dreieinhalb Wochen später saß er mit Lisa im Fond von Dr. Hübenthals Mercedes. Sie fuhren nach Dortmund-Brechten in die Südbecke zu Tassilo Rosenbooms Geburtstagsparty anlässlich seines Sechzigsten.
    Dr. Hübenthal hatte ihm die Einladung persönlich in 307 überbracht. Von gelegentlichen Besuchen Löffkes abgesehen, fanden gewöhnlich nur Sekretärinnen den Weg in sein Büro, um Akten zu- oder abzutragen. Beim Eintritt des Seniors war Knobel mit rotem Kopf aufgestanden und hatte Dr. Hübenthal sofort seinen quietschenden Ledersessel angeboten.
    »Ich muss mit Ihnen sprechen«, hatte der Senior das Gespräch begonnen, und Knobel waren bei diesen Worten blitzartig verschiedene Akten vor dem geistigen Auge erschienen, deren Bearbeitung ihm
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