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Karrieresprung

Karrieresprung

Titel: Karrieresprung
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Richterbank Platz. Ihnen gegenüber saßen der Kläger, Rosenbooms Gegner, ein jüngerer Mann mit kurz geschorenem Haar, und sein Anwalt, ein fettleibiger vollbärtiger Kollege, aus dessen geschwollenem Gesicht kampfeslustige Augen blitzten.
    Knobels Blick schweifte zu den drei Richtern, die hinter einem langen Tresen mit furnierter Frontblende saßen.
    Der Vorsitzende Richter musterte die Prozessparteien und ihre Anwälte. Dann sammelte er sich und betrachtete einen Moment die vor ihm liegende Akte, bevor er mit sonorer Stimme für das Protokoll feststellte, wer auf Klägerseite erschienen war. Anschließend warf er Knobel einen Blick zu.
    »Der Beklagte persönlich und für ihn Herr Rechtsanwalt …« diktierte er zu Protokoll und hielt fragend inne.
    Knobel nannte leise seinen Namen, wiederholte ihn lauter, verwies auf den Kanzleibriefbogen und buchstabierte ihn auf Bitten des Vorsitzenden.
    Dann ließ der Richter von ihm ab und wandte sich der Klägerseite zu.
    »Sie stellen den Antrag aus der Klageschrift?«
    Der großköpfige Kollege nickte.
    »Ich stelle den Antrag aus der Klageschrift«.
    Der Vorsitzende wechselte zu Knobel zurück.
    »Ich beantrage Klageabweisung«, sagte Knobel.
    Der Vorsitzende gab die Anträge zu Protokoll. Mit leichtem Kopfnicken fiel er in seinen Stuhl zurück und gab das Wort an seinen linken Beisitzer weiter. Der hagere junge Mann mit dünnem sprödem Haar referierte den Akteninhalt. Punkt für Punkt reihte er nüchtern die von der Gegenseite in der Klageschrift blumig geschilderten Feuchtigkeitsschäden auf, während Knobel gedanklich die Akte nachvollzog.
    »Soll noch etwas in der Sache vorgetragen werden?« fragte anschließend der Vorsitzende Richter, bereits im Begriff, die Akte zu schließen und eine Entscheidung des Gerichts anzukündigen.
    Der Gegenanwalt verneinte erwartungsgemäß.
    Der Vorsitzende sah zu Knobel.
    Knobel erhob sich.
    »Der Anspruch des Klägers ist verjährt«, begann er schüchtern, und als Ergebnis seines stundenlangen Bücherstudiums trieb er den Gang der Ereignisse sezierend zu der Schlussfolgerung, dass es nicht darauf ankomme, ob die Feuchtigkeitsschäden vorhanden waren oder nicht. Wesentlich sei, dass der Kläger seinen Anspruch wegen der langen verstrichenen Zeit nicht mehr geltend machen könne. Knobel berechnete mit Blick auf seine Notizen die Zeit von der Übergabe des Grundstücks an den Kläger bis zur Erhebung seiner Klage, referierte Fakten und subsumierte sie unter Paragraphen, um anschließend schlusszufolgern, dass im Ergebnis kein Ereignis die Verjährungsfrist gehemmt habe, zumal der Kläger, der zwar ausschweifend die Mängel seines Hauses zu illustrieren verstand, ohne indes ernsthaft behaupten zu können, dass Rosenboom etwaige Mängel arglistig verschwiegen habe – was er als sein Anwalt im Übrigen, sollte wider Erwarten von der Gegenseite nunmehr doch eine solche Arglist behauptet werden, energisch bestreiten und überdies prozessual als verspäteten Vortrag rügen würde –; deshalb müsse der Kläger die schlichte Berechnung der Verjährungsfrist wohl oder übel hinnehmen. Seine alle Varianten berücksichtigenden, zwischen Indikativ und Konjunktiv wechselnden verschachtelten Sätze ließen ihn nach Luft ringen. Dann schloss er mit der von Löffke offenbar übersehenen Feststellung, dass die Verjährungsfrist, wenn auch nur um zwei Tage, überschritten war.
    Der Aufmerksamkeit des Gerichts und der Gegenseite gewiss, im Wortschwall an den eigenen Ausführungen Gefallen findend und durch die Flüssigkeit seines Vortrags bestärkt, wagte er einen mitleidigen Blick auf die Gegenseite, bevor er sich zufrieden setzte und erwartungsvoll schwieg.
    Die Richter vollzogen seine Ausführungen noch einen Augenblick lang nach. Fast schienen sie über seine Erklärung erleichtert. Dann unterbrach der Vorsitzende die Stille, diktierte Knobels Verjährungseinrede zu Protokoll und schloss die Verhandlung mit der Ankündigung, dass das Gericht nach Schluss der Sitzung über die Sache entscheiden werde.
    Knobel räumte seinen Platz, voller Stolz bemüht, gelassen zu bleiben und seinem Auftritt jeden Anflug des Außergewöhnlichen zu nehmen.
    Als er den Saal verließ, klebte Rosenboom förmlich an ihm.
    »Das müssen Sie mir erklären«, forderte er erregt, und seine Stimme überschlug sich beinah.
    Knobel beantwortete geduldig die Fragen seines Mandanten und reicherte seine Ausführungen behäbig mit juristischen Begriffen an, die er in diesem
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