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Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch
Autoren: Werner Rosenzweig
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Dosenfleisch, geräuchertem Schinken, grober Leberwurst, Essiggurken, Zwiebeln und Tomaten waren da nie verkehrt.
    Wenn die beiden honorigen Damen nicht gerade mit Essen beschäftigt waren, gingen sie ihrem zweiten Hobby nach: der Kriminalistik. Ihre Lieblingssendung war »Tatort«, wobei »Tatort« nicht gleich »Tatort« war. Besonders die Sendungen mit den Kommissaren Leitmayr und Batic liebten die beiden. Leitmayr war unterdessen auch nicht gleich Batic, und Batic nicht gleich Leitmayr. Da machten die beiden Damen ganz klare Unterschiede.
    Während die Kunni Udo Wachtveitl in der Rolle des Kommissar Leitmayr über alles verehrte (»Mei had der a scheene Nasn, der lösd alle Fäll), hatte Retta eher ein Faible für den Schauspieler Nemec in der Rolle des Kommissar Batic.
    Last, but not least interessierte die beiden Witwen jeglicher aktuelle Dorfklatsch. Kunni hatte vor Jahren das »Nordbayerisches Tageblatt« abonniert, Retta den »Fränkischen Tag«. Jeden Morgen beim Frühstück stürzten sich die beiden als erstes auf den Lokalteil. Wen interessierte schon die Griechenlandkrise oder ob die FDP in der Wählergunst bei fünf oder drei Prozent liegt? Wenn aber der fette, »Dahergschmeggde« breißische Kugelblitz Tatjana Rübensiehl und ihr »bohnaschdeggerder« Hans-Dieter, dieser äsige Körnerfresser, der aussah, wie der Tod von Forchheim, den lang ersehnten, neuen Supermarkt verhindern wollten und im Gemeindeblatt zu Protestaktionen aufriefen, spätestens dann waren die beiden Witwen auf 180.
    Während Retta zwei Töchter hatte, die in den USA lebten, blieb Kunnis Ehe kinderlos. Als einzig näherer Verwandter verblieb ihr so ihr Neffe Gerald Fuchs, Sohn ihres bereits verstorbenen Bruders, Hans Fuchs. Gerald war Kommissar bei der Mordkommission in Erlangen. Vor sechs Jahren wurde er aus der Oberpfalz nach Franken versetzt und hatte sich ebenfalls in Röttenbach niedergelassen. Seitdem bewohnte er mit seiner Golden-Retriever-Hündin Terry eine Doppelhaushälfte in der Erlanger Straße . Mit seinen 43 Jahren war er immer noch Junggeselle. Dabei sah der Bursche recht passabel aus. Mit seinen ein Meter dreiundachtzig und seiner sportlichen Figur stellte er durchaus etwas dar. Aus seinem ovalen Gesicht, mit dem männlich kantigen Kinn strahlten zwei hellgrüne Augen unter buschigen Augenbrauen und langgebogenen Augenwimpern. Sein kurzer Bürstenhaarschnitt mit dem kräftigen Haar erinnerte sie stets an einen bekannten, amerikanischen Schauspieler. Kunni hoffte immer noch, ihr Neffe würde sich in seine Assistentin, Sandra Millberger, verlieben. Sie hatte sie zwar noch nicht persönlich kennengelernt, sondern nur gelegentlich Fotos von ihr in der Zeitung gesehen, aber der Eindruck, den Sandra bei ihr hinterlassen hatte, überzeugte sie. Auch ihr Neffe schwärmte stets von der guten Zusammenarbeit mit seiner Assistentin. Da war mehr dahinter. Das spürte Kunni Holzmann. »Der Gerald is bloß zu bleed, den erschdn Schridd zu machen«, konstatierte sie.
    Ihre beiden Ehemänner hatten die Kunni und die Retta schon vor Jahren unter die Erde gebracht. Der Kunni ihr Schorsch wurde 82. Vor vier Jahren, es war Mitte Juni, meinte er, er müsse bis in die äußerste Spitze seines Kirschbaums klettern, um auch die weiter außen hängenden Früchte vor den gefräßigen Amseln zu retten. Ein morscher Ast knackte verdächtig unter seinen 105 kg Lebendgewicht. Es blieb nicht beim Knacken. Gerade als sich der Schorsch weit nach außen streckte, brach der Ast weg. Kunnis Mann hatte nicht die geringste Chance, sich noch irgendwo festzuhalten.
    »Ja verregg…«, war sein letzter, erstaunter Ausruf, als er mit seinem Plastikeimer in die Tiefe stürzte. Die gepflückten Kirschen kullerten munter im Garten herum, während der Schorsch sein Leben aushauchte, als er nach seinem Sechsmetersturz mit dem Kopf hart auf der Pflastersteineinfassung aufschlug, welche den Stamm des Baumes umgab.
    Kunni, die gerade in der Küche stand und Geschirr spülte, verfolgte aus dem Küchenfenster den Sturz ihres Gatten. »Alder Debb, wie ofd habbi dier scho gsachd, dassd in deim Alder nemmer auf den Bamm grabbln sollsd. Edz hasd dein Dreeg!«
    Auch der Retta ihr Reser war längst zu Grabe getragen worden. Er war acht Jahre älter als seine Frau. Vor dreieinhalb Jahren war er mit seinem alten Fendt - Traktor, den Anhänger hinten dran, in den Wald aufgebrochen, um Holz zu machen. Warum sollte er das teure Heizöl zum Kamin hinausjagen, wenn es in seinem
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