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Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch
Autoren: Werner Rosenzweig
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    »Liebe Freunde des Bund Naturschutz, liebe Gleichgesinnte, liebe Gäste aus Nah und Fern.« Sie ließ ihren Blick zu den Wolfenbütteler Gästen schweifen. »Ich freue mich, dass Sie so zahlreich zu unserer heutigen Gründungsveranstaltung von ›Röttenbach 21‹ gekommen sind und begrüße Sie auf das Allerherzlichste. Bestätigt mir Ihre Anwesenheit doch, dass auch bei Ihnen ein starkes Interesse vorliegt, diesem Wahnsinnsbau von einem Supermarkt inmitten eines einzigartigen Biotops, einer außergewöhnlichen Naturlandschaft, letztlich in quasi letzter Minute den Garaus zu machen. Es ist eine Sünde, mit welcher Ignoranz der Röttenbacher Gemeinderat dieses Bauprojekt genehmigt hat. Eine Sünde, was rede ich, eine Verschwörung gegen die Natur, wie wir alle wissen.«
    Sie legte eine Pause ein und sah sich um. Als kein tosender Beifall einsetzte, fuhr sie fort. Jupp Hochleitner rülpste und bestellte sich bei der Bedienung sein zweites Erdinger Weizen und einen doppelten Williams-Christbirne.
    »Wie wir nunmehr alle wissen, plant die Gemeindeverwaltung den Bau eines gigantischen Supermarktes mitten im Winterquartier – dem einzigen in dieser Gegend – der vom Aussterben bedrohten Knoblauchkröte, welche der Familie der Europäischen Schaufelfußkröte zugehörig ist. Das ist ein Skandal ohnegleichen! Die Knoblauchkröte benötigt die lockeren, sandigen Böden, die im vorgesehenen Baugebiet noch vorhanden und in unserer Region wirklich einzigartig sind. Mit ihren scharfkantigen, verhornten Auswüchsen an den Fußsohlen kann sich die Knoblauchkröte sehr schnell in den lockeren Boden eingraben und somit ihr Winterquartier beziehen, bevor sie im Frühjahr wieder ihre Laichgebiete im Wasser aufsucht.«
    »Jawoll, suu lassi mier dees eigeh«, rief Jupp Hochleitner dazwischen, »alle Breißn ghern ins Wasser!«
    Tatjana Rübensiehl überhörte geflissentlich diesen unqualifizierten Zwischenruf und fuhr unbeirrt fort: »Seien wir doch ehrlich zu uns selbst! Brauchen wir noch einen weiteren Supermarkt der Superlative? Nein, brauchen wir nicht! Wir haben bereits ausreichend Märkte in unserer unmittelbaren Umgebung. In Hemhofen, in Heßdorf, in Adelsdorf!«. Dabei fuchtelte sie mit den ausgestreckten Speckwurstfingern ihrer rechten Hand in der Luft herum und setzte irgendwo zwischen einer Deckenleuchte und einem präparierten Hechtkopf, der grimmig von der Wand glotzte, einen imaginären Punkt. »Alle die genannten Märkte sind von Röttenbach aus in kürzester Zeit mit dem Fahrrad erreichbar.« Hans-Dieter klatschte seiner Frau frenetisch Beifall. »Ist es die Sache wert, dass wir die Knoblauchkröte – den Lurch des Jahres 2007 – zum Tode verurteilen? Keineswegs!«, beantwortete sie sich ihre eigene Frage. »Kröten sind wertvolle Tiere«, führte sie aus. »In China haben sie wiederholt durch fremdartiges Verhalten rechtzeitig vor Erdbeben gewarnt und somit Tausenden von Menschen das Leben gerettet. Selbst die mexikanischen Indianer verehren Kröten als Überbringer von Botschaften aus der Unterwelt.«
    Jupp Hochleitner hatte ganz genau hingehört und rief begeistert: »Verregg, der Konfuzius woar a Frosch und der Winnetou a Hailicher!«  
    Hans-Dieters Arbeitskollege aus Neuhaus war kurz eingenickt und ließ im Halbschlaf einen so gewaltigen Furz, dass er davon aufwachte. Er hatte davon geträumt, ein Kilogramm Sauerkraut alleine gegessen zu haben. Peinlich berührt sah er sich in der Runde um und lächelte Tatjana Rübensiehl zu, als ob nichts geschehen wäre. Mit seiner linken Hand fächelte er heimlich hinter seinem Rücken herum, um den intensiven Geruch möglichst schnell in der Luft zu verwirbeln. Jupp Hochleitner rümpfte die Nase. Außerdem langweilte er sich. »su a alder Saubär«, empörte er sich, »furzd do rum wie die Kuh im Schdall.«
    Was hatte er mit der Knoblauchkröte und der Familie der Europäischen Schaufelfußkröte zu tun? »Die gänga mier am Orsch vorbei wie a Bäggla Reisbrei zwischen dreia und halba siema. Do binni, maani wu neigradn! Lauder Freschfedischisdn, Daabschwädzer und Xsundheidsabosdl. Schdingn dennas wie a alde Odlgrubn«, ging es ihm durch den Kopf.
    Er hatte zwischenzeitlich sein drittes Weizenbier, kombiniert mit drei Williams-Christbirnen, intus. Seine Blase drückte. Er erhob sich ächzend und machte sich auf den Weg zur Toilette. Tatjana Rübensiehl sah ihn vorwurfsvoll an.
    »Geh bloß schnell zum Biesln. Machd ner weider. Bin gleich widder do«, erklärte
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