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Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch
Autoren: Werner Rosenzweig
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unterfordert. Na ja, er konnte auch bereits lesen, bevor er eingeschult wurde. Mein Mann legte richtigerweise äußersten Wert auf eine frühe Vorschulerziehung. Ich weiß, das kann man von den Kindern der einheimischen Bevölkerung nicht gerade erwarten, aber…«
    Herr L. stieß ins selbe Horn: »Ich meine durchaus, dass das Kindergartenpersonal mehr auf Recht und Ordnung achten sollte. Eine deutliche Ermahnung zur rechten Zeit hat noch keinem Kind geschadet. Ich für meine Person werde das unmögliche Benehmen mancher einheimischer Rotzlöffel jedenfalls nicht mehr akzeptieren. Es kann nicht angehen, dass ein unerzogene Junge meiner äußerst sensiblen Tochter regelmäßig Furcht einflößt, indem er ihr ständig lautstark ins Ohr rülpst. Und erst diese Fäkaliensprache! Unmöglich!«
    Frau S. schließlich, zog vor drei Jahren zu und ist eine sehr ehrgeizige, junge Frau: »Höher meine Damen Sopranistinnen! Höher! Höher! Das war noch kein zweigestrichenes C! Das müssen wir nochmals üben!« Besonders die zweiundfünfzigjährige Hausfrau Wahl ging ihr oftmals auf den Geist. »Frau Wahl, denken Sie doch bitte an Ihre Aussprache! Es heißt nun mal nicht ›Blummaschdogg‹, sondern ›Blumenstock‹. Singen Sie doch einfach so, wie es im Textblatt geschrieben steht, und das ›gell‹, am Ende des Satzes können Sie getrost weglassen! Das steht auch gar nicht da.«
    Die persönlich Angesprochene nahm die Kritik, wie immer, nicht besonders ernst. »Wenns maana!«
    Dennoch, die »Neigschmeggdn« und die Einheimischen kommen normalerweise gut miteinander aus. Was einerseits am Harmoniebedürfnis der Franken liegt und andererseits an der manchmal etwas diffizilen Kommunikation. Nicht immer verstehen die Zugezogenen, was die Einheimischen mit ihrer knappen, melodiösen Ausdrucksweise auf den Punkt bringen möchten. Zwar wirken Letztere oft spröde und brummig – wenn sie doch mal den Mund aufmachen – aber sie sprechen immer direkt an, was sie denken. Dies zwar manchmal eher deftig, aber dafür umso ehrlicher.
    »Mach mer a weng unser Dier zu, Herr Nachber!«, ist eine durchaus höflich formulierte Bitte, die Tür zu schließen, wenn beispielsweise jemand eine Gaststätte betritt und die Tür offen stehen lässt.
    Streit mögen sie nicht, die Franken. Im Gegenteil, sie hassen Streit. Am liebsten wollen sie in Ruhe gelassen werden. Wehe aber, sie werden in ihrem Seelenfrieden gestört, oder gar gereizt. Dann ist es vorbei mit ihrem Harmoniebedürfnis. Sprüche wie »Mier ham fei nonedd midanander gschusserd!« sind ein eindeutiges Warnzeichen. Sie deuten darauf hin, sich nun besser zurückzuziehen, wenn man denn ernsthaften Ärger vermeiden möchte.
    Die rote Linie ist bereits weit überschritten, wenn sich der Franke zu Sätzen wie »Geh na her, Herr Nachber, diech haui ungschbidzd in Buudn nei« oder »Ward na, Freindla, dier weri scho zeign, wu der Bardl n Mosd hulld« hinreißen lässt und dabei beginnt, seine Ärmel hochzukrempeln. Zu solchen Extremsituationen kommt es allerdings äußerst selten. Die Einheimischen sind, wie gesagt, ein harmoniebedürftiges Völkchen. Echte Röttenbacher sind wendig und altfränkisch beharrlich zugleich. Was ihnen völlig abgeht, ist eine euphorische Selbstdarstellung. Dieses »Mir-san-Mir«-Getue, wie es weiter im Süden des Bayernlandes praktiziert wird, mag der Franke überhaupt nicht. Im Gegenteil, er stapelt tief, und sein Humor ist nicht feixend und Schenkel klopfend, sondern eher sarkastisch und trocken – sofern er überhaupt einen Humor besitzt.
    Eine besondere Begabung haben die meisten einheimischen Hausfrauen. Nicht nur dass sie, wie alle Frauen, gerne tratschen. Sie können sich stundenlang über nicht anwesende Nachbarn unterhalten:
    »Hasd dees scho midgrichd, Liesbedd, dass dera Maicharedd iehr Hanni sei neis Audo zammgfoahrn had?« »Wunnern däds mi ned, su ofd wie der bsuffn is. Der versaufd doch sei ganz Geld. Jedn Samsdooch hoggder drobn im Ring-Café und saufd si an Rausch oo. Die Maicharedd kann an wergli leid do.« »Ja, und dabei is su a anschdändiche Fraa. Die häld iehr Woar zamm.« »Genau, und iehr Kinner kumma aa immer su sauber daher. Und freindli grießn denn die immer!« »Wuher wassnd na du dees, mid dem Unfall?« »Die ald Holzmanni hads mer gsachd. Die waaß doch immer alles, was im Dorf bassierd. Gnaus waaßi aa ned! Um Himmels Willn iech will fei do aa nix gsachd ham, mid dem Unfall. Abber kennd ja sei, dasser bsuffn woar, der Hanni. Mer
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