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Karma Girl

Titel: Karma Girl
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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ich schon so. Und ich hab selbst eine davon, die sitzt super. Übrigens ist das Top fantastisch. Das musst du auch unbedingt nehmen.«
    »Äh, das ist mein BH«, sagte ich.
    »Siehst du?«, sagte meine Mutter. »Sogar sie kann keinen Unterschied erkennen.«
    Taffys Kopf ruhte mit dem Kinn genau auf der Kabinentürkante, so als hätte sie endlich den richtigen Platz dafür gefunden. Ich verstehe diese Verkäuferinnen nicht. Sie linsen immer schon über die Tür, bevor man überhaupt was angezogen hat – als ob man bei der Anprobetortur bloß nicht allein sein wolle. Und dann sagen sie, es würde alles fantastisch aussehen.
    »Also nimmst du sie?«, nölte Taffy. Sie hatte Lippenstift auf ihrem Schneidezahn. Ich entschloss mich, sie ins Leere laufen zu lassen.
    Meine Mutter legte unterdessen geduldig Sachen zusammen, die mir aus der Hand gefallen waren. Ich brach in Tränen aus.
    »Was meinst du denn?«, fragte ich.
    »Gehen Sie«, sagte meine Mutter zu Taffy. »Gehen Sie und falten Sie irgendwelche Pullover zusammen. Wir brauchen hier ein bisschen Privatsphäre. Sie haben schon genug angerichtet!«
    Taffys Mund klappte auf wie bei einem Fisch in einem lecken Aquarium. Nachdem sie im Eiltempo fortgewackelt war, wandte sich meine Mutter mir zu.
    »Dimple«, sagte sie, »du bist ein wunderschönes Mädchen. Du hast Hüften – die bleiben und gehen nicht weg. Du hast einen indischen Körper. Wir sind nicht so gebaut wie diese dünnen, kurvenlosen Amerikane rinnen.«
    »Mama, ich bin eine Amerikanerin.«
    »Dimple, wie sehr du es versuchst, du kannst deinen Körperbau nicht ändern. Dein Körper ist dein Tempel, dein Körper ist dein Zuhause. Er sagt dir, woher du kommst.«
    »Aber mein Körper ist ein ziemlich geräumiges Zuhause«, schniefte ich. »Schau mich doch nur an – überall Hüften, Brüste, Pobacken. Warum kann ich nicht einfach normal sein?«
    »Normal? Dimple Rohitbhai Lala, wenn du dich selbst beleidigst, dann beleidigst du auch mich. Du willst doch nicht deine Mutter beleidigen, oder?«
    »Natürlich nicht. Aber Mama, an dir sieht das alles klasse aus. Du bist eine Mutter. Mütter müssen sogar Kurven haben. Aber an mir sieht das einfach nicht aus. Hätte ich nicht mehr Ähnlichkeit mit Papa haben können?«
    »Dann hättest du zusätzlich zu diesen so genannten Problemen noch mit beginnendem Haarausfall zu kämpfen.«
    »Papa hat Haarausfall?«, sagte ich interessiert. »Wusste ich gar nicht.«
    »Er selbst weiß es auch noch nicht«, sagte meine Mutter flüsternd. »Ich seh es, wenn er schläft. Er hat schon einen kleinen, blanken Kreis oben auf dem Kopf, der sich rasant ausbreitet.«
    Sie streckte sich und sprach wieder in normaler Lautstärke.
    »Dimple, Beta. Hör auf damit, jemand sein zu wollen, der du nicht bist.«
    Dann legte sie mir die Hände auf die Schultern und küsste mich auf die Stirn.
    »Komm«, seufzte sie. »Lass uns zum Fotogeschäft gehen.«
    ★ ★ ★
    Als ich später, nachdem wir uns noch einmal für ein Stündchen getrennt hatten, bei Friendly's eintraf, war mein Vater bereits da. Er sah ein bisschen eingezwängt aus, obwohl er an einem Tisch für vier saß und keine Einkaufstüten oder Kartons dabeihatte. Seine Miene hellte sich auf, als er mich sah.
    »Setz dich, Bacchoodi«, sagte er und zeigte auf den Platz ihm gegenüber. Er mochte es am liebsten, wenn meine Mutter und ich ihm gegenübersaßen und er uns beide ansehen konnte.
    »Mama ist ja noch gar nicht da«, sagte ich ein bisschen alarmiert. Es gab nur sehr wenige Vater-Tochter-Momente in unserem Leben, und ich hatte meistens absolut keinen Schimmer, worüber ich mit ihm reden sollte.
    »Sie lässt sich ganz schön Zeit, stimmt's?«, meinte mein Vater. »Das ist etwas beunruhigend, weil sie sicher die American Express Card dabeihat.«
    Wir wussten beide, dass meine Mutter gerne bei Juwelieren in die Vitrinen schaute. Wenn ihr etwas gefiel, merkte sie sich normalerweise das Design und ließ in Indien für wenig Geld eine Kopie anfertigen. Sie stellte also überhaupt kein Kreditkarten-Risiko dar – das war von meinem Vater nur so dahingesagt, so wie man Ganz schön heiß, nicht wahr? zu einem Fremden im Fahrstuhl sagt. Es machte mich traurig, dass mein Vater und ich uns unterhielten, als ob wir in einem Fahrstuhl stün den.
    »Hast du Hunger?«, fragte er nun und rieb sich den Arm. »Wir können auch schon für Mama bestellen. Sie ist bestimmt gleich da.«
    Das gab uns wenigstens etwas zu tun.
    Ich hatte meinen Eiskaffee
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