Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Karma Girl

Titel: Karma Girl
Autoren: Tanuja Desai Hidier
Vom Netzwerk:
anderen Seite. Es war also ein Outfit, das Gwyn ohne Probleme hätte tragen können, das in meinem Kopf allerdings die Alarmglocken auslöste.
    Kaum war ich im Laden, änderte sich alles. Meine Alarmglocken wurden von der lauten Musik, die aus den Lautsprechern dröhnte, vollkommen übertönt. Ich habe keine Ahnung warum, aber immer wenn ich in einem hell erleuchteten Geschäft mit hämmernder Techno-Beschal lung stehe, fühle ich mich sofort viel schlanker und dünner, als ich bin. Als meine Mutter und ich schließlich jeweils mit den erlaubten fünf Teilen dastanden, nahm sie meine Klamotten unter die Lupe.
    »Hast du auch auf die Größe geachtet, Beta?«, fragte sie und ließ ein Oberteil von ihrem Finger baumeln, als sei es ein nasser Teebeutel.
    »Was willst du damit sagen?«, fragte ich etwas pikiert. Die Musik war hier nicht ganz so laut, und eine Herde bis unter die Achseln gepiercter Verkäuferinnen starrte mich verächtlich an – so als sei ihnen vollkommen klar, dass mir keines meiner ausgewählten Teile passen würde.
    »Ich will damit gar nichts sagen, Beta, aber wenn du wirklich darauf bestehst, diese Fetzen anzuziehen, such dir doch lieber die richtige Größe aus, anstatt zu versuchen … ähm … Gwyn zu sein.«
    »Ich versuche ja gar nicht, Gwyn zu sein! Ich hab die Sachen nur ausgesucht, weil sie mir gefallen! Ich hab sie ganz allein ausgewählt. Komm schon, sei doch nicht so. Ich meine, ich bin doch schon fast siebzehn.«
    »Aber sie sind nicht in deiner Größe.«
    »Und ich weigere mich, in eine größere Größe als diese zu passen«, sagte ich in einem Ton, der unmissverständlich klar machte, dass ich darüber nicht weiter diskutieren wollte.
    Vor den Umkleidekabinen nahm uns die Verkäuferin, eine superdünne Person mit hochtoupierten Haaren und »Taffy« auf ihrem Namensschildchen, die Klamotten ab und hängte sie in eine Kabine. Dann drehte sie sich um, musterte zuerst mich von oben bis unten, dann die Klamotten, dann wieder mich.
    »Sind die für dich?«, fragte sie.
    Ich nickte unsicher.
    »Sieht so aus, als bräuchtest du 'ne größere Größe.«
    »Für welches Teil denn?«
    »Für alle.«
    »Wie kommen Sie darauf?«, sagte ich und bemühte mich, ruhig zu bleiben. Hatte sie bei der letzten Verkäuferschulung nicht richtig aufgepasst? Sage niemals zu einem Kunden, er brauche eine größere Größe . Mehr noch: Streiche den Begriff gleich ganz aus deinem Vokabular.
    »Ich brauche dich nur kurz anzuschauen. Die Größen von den Sachen, die du dir ausgesucht hast, sind falsch. Soll ich sie dir schnell austauschen?«
    »Dies ist die Größe, die ich will«, sagte ich langsam. »Ich passe da rein.«
    »Wie du willst«, sagte sie, knallte mit ihrem Kaugummi und marschierte von dannen. Dabei rief sie über ihre Schulter: »Sag aber nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«
    Die Kabine war mit einem riesigen Spiegel ausgestattet, der über drei Wände ging – ziemlich uneinladend das Ganze. Meine Mutter setzte sich erschöpft auf die Bank. Und ich begann mit meiner olympischen Mission, in den nächsten zwei Minuten mehrere Kilo abzunehmen.
    Die Jeans bekam ich nicht mal über die Knie. Im Spiegel konnte ich von drei Seiten dabei zusehen, wie mein üppiger Hintern beinahe meine Unterhose sprengte.
    Mann, bei meiner Figur würden selbst Omaschlüpfer wie Tanga-Slips aussehen!
    »Es ist doch nur eine Nummer«, sagte meine Mutter, »die sieht doch niemand. Ist doch vollkommen ohne Belang.«
    »Stimmt«, sagte Taffy, deren Kopf plötzlich über der Kabinentür auftauchte. »Die Nummern bedeuten gar nichts.«
    Na, das war ja eine Erleichterung!
    »Die sind sowieso alle niedriger, als sie in Wahrheit sind«, fügte sie hinzu.
    » Niedriger? «, rief ich geschockt. Im Spiegel konnte ich sehen, wie meine Mutter Taffy panisch zuwinkte, sie solle die Klappe halten. Aber es war schon zu spät.
    »Ja, wir haben eine Studie gemacht, die hat ergeben, dass sich die Sachen dann besser verkaufen. Also haben wir alle Größen einfach ein bisschen niedriger angesetzt. Das hat den Verkauf mächtig angekurbelt, kann ich dir sagen.«
    »Ich muss hier reinpassen«, flüsterte ich verzweifelt. Kapierte denn niemand, dass ich morgen mit einem Filmstudenten von der New York University ausgehen würde?
    »Na ja, wie auch immer, diese rosa Militärhose sieht jedenfalls absolut klasse aus. Die solltest du auf jeden Fall nehmen.«
    »Woher wollen Sie das denn wissen? Ich hab sie ja noch gar nicht angehabt.«
    »Na, das seh
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher