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Karma Girl

Titel: Karma Girl
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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an meine Mutter zu kommen, besonders seit die Hochzeitsvorbereitungen für Sangita begannen. Ich habe die Briefe vermisst, aber ich hatte die Kamera. Niemand hat je wirklich verstanden, warum sie mir so wichtig ist und warum ich so viel Zeit in der Verdunkelungskammer verbringe. Aber an diesem Ort, an dem sich Chemikalien verbinden und urplötzlich Bilder aus der Dunkelheit zum Vorschein kommen lassen, spüre ich Dadaji ganz nah bei mir, und vielleicht bedarf es nur einer einmaligen, gelungenen chemischen Fügung, um ihn aus seiner Schattenwelt zum Leben zu erwecken.
    »Beta! Dein Vater ist nach Hause gekommen«, rief meine Mutter. »Bist du bereit, Geburtstagskind?«
    Ich trat aus der Dunkelheit. Meine Augen taten jedes Mal ein bisschen weh, wenn ich das zu schnell tat; vielleicht halten Babys deshalb ihre Augen nach der Geburt eine Zeit lang geschlossen. Zu viel Licht.
    »Komme«, rief ich.

3. KAPITEL
Wünsch dir was
    Seit ich mit großem Hallo in der Pubertät angekommen war, war das Geburtstags-Shopping zu einem regelrechten Ritual geworden. Was im Grunde passierte, war Folgendes: Meine Eltern fuhren mit mir zur Shopping-Mall, ich durfte mir meine eigenen Geschenke aussuchen und musste anschließend wegschauen, während sie ein paar dieser Gegenstände kauften, die dann, wie von Zauberhand in seltsamen Böxchen und in das Geschenkpapier vom letzten Weihnachtsfest gepackt, an meinem eigentlichen Geburtstag wieder auftauchten.
    Es handelte sich bei dieser Aktion nicht wirklich um ein Zeichen meiner neu gewonnenen Unabhängigkeit. Es begann lediglich aus dem Grund, dass meine Eltern irgendwann nicht mehr verstanden, was ich wollte, und ich nicht mehr verstand, was sie gerne hätten, das ich wollte.
    Das Ritual folgte für gewöhnlich einem unausgesprochenen Muster, nämlich: ein ordentlicher Gegenstand für jeden ausgeflippten Gegenstand. Und es gab noch ein weiteres Muster, das sich auch diesmal wiederholte: Als wir bei der Mall ankamen, verbrachte mein Vater erst mal unglaublich viel Zeit damit, über den Parkplatz zu kurven, um einen Platz, fünf Zentimeter vom Eingang entfernt, zu finden, obwohl etwas weiter hinten alles frei war.
    Nachdem mein Vater also erfolgreich rückwärts einparkt hatte, schlenderten wir erst mal durch Macy's, begleitet vom Ah und Oh meiner Mutter, wann immer sie irgendwelche Parfümflakons zu Gesicht bekam. Als wir schließlich aus der Kosmetikabteilung rauskamen, duftete sie aufgrund zahlloser Proben an ihrem linken Handgelenk nach Obsession , an ihrem rechten nach Trésor und an ihrem Hals nach Samsara – eine Mixtur, die insgesamt mehr nach Eau de Nagellac kentferner als nach irgendetwas anderem roch.
    Schließlich erreichten wir die Klamottenabteilung, wo mein Vater gleich auf ein »apartes« Nachthemd zeigte, das er für genau das richtige für mich hielt (ein viktorianisch anmutendes Machwerk, das wohl selbst Jane Eyre etwas sonderbar gefunden hätte). Unterdessen liebäugelte ich bereits mit einer Jeans, die etwa zwei Nummern zu klein war und von einer unglaublich schlanken Schaufensterpuppe ohne Brustwarzen getragen wurde, deren Körper nichts mit meinem gemeinsam hatte. Mittlerweile wurde es meinem Vater bereits zu langweilig. Er setzte sich ab und wollte uns in fünfundvierzig Minuten bei den Blumenkübeln mit den Palmen wieder treffen. Das verschaffte mir die Gelegenheit, meine Mutter, die von den Parfümdüften schon ganz benebelt war, in Läden zu steuern, in die sie ein paar Augenblicke zuvor noch keinen Fuß gesetzt hätte.
    »Ma?«, sagte ich. »Können wir nicht zu Style Child gehen?«
    Das war Gwyns Lieblingsladen, der gerade erst eröffnet hatte.
    Die Miene meiner Mutter hellte sich auf.
    »Bekleidung!«, sagte sie. »Nun, das interessiert Mädchen in deinem Alter, das ist ganz normal. Komm, wir suchen dir was Schönes aus!«
    Als wir den Laden erreichten und meine Mutter die Punk-Schaufensterpuppen mit pinkfarbenen Haaren sah, die ausgestopfte Dalmatinerhündchen an Schlangenleder-Leinen zurückhielten, fiel ihr die Kinnlade runter.
    »Bist du dir sicher, dass du hier reingehen möchtest?«, fragte sie. »Wie wär's mit einem etwas feminineren Laden, wie Ann Taylor oder Laura Ashley?«
    »Ich bin mir sicher«, sagte ich.
    Eine Puppe trug einen weißen Minirock, der an beiden Seiten mit durchgehenden Reißverschlüssen verziert war. Bei dem dazugehörigen Top handelte es sich um ein hautenges weißes Nichts, mit einer bloßen Schulter und einem Träger auf der
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