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Karl der Dicke & Genossen

Karl der Dicke & Genossen

Titel: Karl der Dicke & Genossen
Autoren: Werner Schrader
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wenn ihr euch über den Weg nicht einigen konntet?“ fragte Rosemarie.
    Karl schnupperte an den Hähnchen, die sich allmählich braun färbten und schüttete Kohle nach. Darum antwortete Guddel für ihn.
    „Über den Weg haben wir uns nie gestritten“, sagte er. „Weil wir merkten, daß es gar nicht so wichtig ist, ob man hierhin fährt oder dahin, links abbiegt oder rechts, denn überall ist es irgendwie schön. Man muß nur selber die richtige Stimmung und Laune mitbringen, dann kann man in dem einsamsten Nest die tollsten Abenteuer erleben. Wer als Miesepick durch die Gegend fährt, der würde es selbst in New York und Instanbul noch öde und langweilig finden.“
    „Was natürlich nicht heißen soll“, warf Karl ein, „daß wir nicht eines Tages oder eines Jahres mal in die Türkei reisen werden! Vorausgesetzt, daß ein gutgenährter Mitteleuropäer die dortige Küche genießen kann, ohne Schaden zu nehmen an seinem Leibe.“
    „Aber das nächste Jahr“, mischte sich Egon in das Gespräch, „fahren wir erstmal in die Lüneburger Heide!“
    „Na klar!“ begeisterte sich Karl. „Zu deiner krummbeinigen Swimmingpool-Tante mit dem Hängebauch!“
    Herr Schwerdtfeger lachte.
    „Ich glaube“, sagte er, „ihr würdet überall euren Spaß haben und selbst am Nordpol noch Witze machen. An euch könnte sich mancher Erwachsene ein Beispiel nehmen.“ Frau Schwerdtfeger stand auf, ging ins Haus und ließ vom Balkon mehrere bunte Lampions herabbaumeln. Rosemarie schob den Gartentisch darunter, auf dem schon sechs Teller standen, und bat die Gäste, ihre Stühle mitzubringen und sich um den Tisch zu setzen. Die „Gummiadler“ waren gar.
    Es dauerte nicht lange, da saßen alle unter den im lauen Nachtwind leise schaukelnden Papierlaternen und knabberten an Hähnchenschenkeln. Dadurch wurde die Unterhaltung für einige Minuten unterbrochen, bis Karl, auf beiden Backen kauend, das Schweigen brach.
    „Also, die Dinger schmecken ja prima, was Guddel? Eins steht fest, wenn wir das nächste Jahr in die Heide fahren, nehmen wir so einen Grillherd mit, und wenn ich mir extra einen Anhänger dafür an das Fahrrad hängen müßte!“
     
    Am anderen Morgen saßen alle noch einmal beim Frühstück zusammen, das Frau Schwertfeger einladend zubereitet hatte.
    Um neun fuhren dann die Jungen in Rosemaries Begleitung, ohne Gepäck, aber mit dem Tonbandgerät, zu Frau Klingeberg, die in Tränen ausbrach, als sie die Stimme ihrer Tochter hörte, und alle der Reihe nach in die Arme schloß. „Christa hat mir gerade gestern einen Brief geschrieben“, schluchzte sie gerührt. „Sie kommt in zehn Tagen. Eher geht es nicht, weil sie ihre gute Stellung bei der Spinnfaden KG nicht verlieren will.“
    „Spinnfaser AG“, berichtigte Guddel lächelnd. „Das wissen wir, Frau Klingeberg, wir haben sie ja dort besucht.“
    „Ach ja, richtig, richtig! Oh, ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll. Ich bin ja so glücklich!“
    Sie erzählten der Frau, daß Fedor, Christas Verlobter, ein fescher schwarzhaariger Mann sei, der mit dem Kopf an das obere Türrahmenholz stoßen könne, ohne sich auf die Zehen zu erheben, und verabschiedeten sich dann schnell von ihr.
    Wenig später verabschiedeten sie sich ein zweites Mal, nun von Rosemarie und ihren Eltern. Und um zehn Uhr nahmen sie die letzte Strecke ihrer Fahrt unter die Räder.
    „Wir haben noch hundertzwanzig Kilometer vor uns“, sinnierte Egon laut, „die müßten wir doch bis zum Kaffeetrinken schaffen.“
    „Bei Rückenwind und Bergabfahrt vielleicht“, sagte Karl. „Aber bei den vorherrschenden klimatischen und geographischen Verhältnissen fahren wir keinen höheren Stundendurchschnitt als fünfzehn Kilometer heraus.“
    „Nicht mal das“, rief Guddel. „Ich schätze, wir brauchen zehn Stunden für die Strecke.“
    „Bis jetzt haben wir uns doch nie richtig ausgegeben“, bohrte Egon beharrlich, „Wollen wir da nicht wenigstens am letzten Tag mal zügig fahren?“
    „Zügig ja“, sagte Karl, „aber nicht idiotisch.“
    Zwei Stunden lang sprachen sie kaum ein Wort, und je näher sie ihrem Elternhaus kamen, desto mehr zog es sie dahin. In Apelstedt machten sie sich den Spaß, dieselbe Bäckerei aufzusuchen, in der Egon sein erstes Interview gemacht hatte. Aber sie trafen weder das zwanzigjährige Mädchen noch die zornige Mutter an. Der Bäcker selbst bediente sie. „Eine viertel Platte Butterkuchen hätten wir gern“, sagte Karl. „Und der hochgewachsene Herr
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