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Karl der Dicke & Genossen

Karl der Dicke & Genossen

Titel: Karl der Dicke & Genossen
Autoren: Werner Schrader
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die Tante Tina mit dem Pflaumengarten, die in der Stadt wohnen sollte, erinnerten sie sich nicht, aber im Hexenbürgermeisterhaus guckten sie sich die mittelalterlichen Folterwerkzeuge an, mit denen man Frauen und Männer so lange gequält hatte, bis sie bekannten, eine Hexe oder ein Hexer zu sein.
    „Das waren aber verdammt rauhe Sitten damals in der guten alten Zeit“, sagte Egon schaudernd und beugte sich über die Daumenschrauben. Ich hätte mich nicht lange piesacken lassen, sondern sofort zugegeben, ein Hexenmeister zu sein.“
    „Das hätte ich mir aber schwer überlegt, mein Lieber“, sagte Guddel. „Hexen wurden nämlich seinerzeit bei lebendigem Leibe gebraten, falls dir das noch aus dem Geschichtsunterricht in Erinnerung sein sollte.“
    „Ein Segen, daß der Unsinn heute vorbei ist“, sagte Karl.
    „Einen von uns hätten sie bestimmt an die Wand genagelt oder aufs Rad geflochten, wahrscheinlich Egon, weil der von der Seite so was Diabolisches im Blick hat, besonders wenn die Sonne tief steht.“
    „Ach, ist unser Dickerchen mal wieder witzig“, sagte Egon. „Dich hätten sie in eine Bratpfanne gesetzt und das Fett ausgelassen. Damit hätten sie wochenlang ihre Tranfunzeln speisen können.“
    Als sie wieder aus der Stadt heraus waren und noch darüber diskutierten, ob sie über Vlotho oder Rinteln fahren sollten, sahen sie ein Mädchen am Straßenrand, das an einem schwerbepackten Fahrrad herumwerkte und offensichtlich eine Panne hatte.
    „Hallo, was gibt es denn hier?“ fragte Karl und hielt an. „Haben wir einen Motorschaden?“
    Auch Guddel und Egon stiegen ab.
    Das Mädchen, das etwa in ihrem Alter sein mochte, sah auf und wandte den Jungen sein ölverschmiertes Gesicht zu. „Meine Kette hat sich verklemmt“, sagte es. „Sie sitzt fest zwischen Kettenkranz und Speichen, ich krieg sie einfach nicht los.“
    „Na, wenn es weiter nichts ist“, prahlte Egon, „das ist wohl keine große Sache für einen Fachmann. Moment mal, bitte!“
    Er stellte sein Rad an einen Straßenbaum und beugte sich über das des Mädchens.
    „Den Schaden werden wir sofort beheben!“ Und schon faßte er die ölige Kette mit beiden Händen an und versuchte sie aus der Verklemmung herauszuziehen.
    Aber es gelang ihm nicht.
    „Mensch, wie ist dir das denn passiert?“ stöhnte er nach dem zweiten Versuch. „Die sitzt ja fest wie angeschweißt!“ Das Mädchen wischte sich das lange Haar aus der Stirn und sah unglücklich drein. Egon aber schritt ein drittes Mal zur Tat. Mit aller Kraft zerrte, ruckte, riß er, stemmte einen Fuß gegen die Tretkurbel, färbte sich so rot wie die Sonne, bevor sie untergeht, und hätte die vermaledeite Kette bestimmt wie ein Gummiband in die Länge gezogen, wenn er sich den Zeigefinger der linken Hand an den unnachgiebigen Speichen nicht empfindlich wund geraspelt hätte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht richtete er sich auf, starrte wütend den lädierten Finger an und schüttelte das hellrote Blut ab. „Ich klebe dir ein Pflaster drauf!“ rief das Mädchen sofort und bemühte sich um den verletzten Fachmann.
    Karl grinste Egon schadenfroh an, zog ein kaum benutztes Taschentuch hervor und näherte sich dem havarierten Fahrzeug.
    „Paß auf, wie man es macht“, sagte er, wobei er dem erfolglosen Monteur väterlich auf die Schulter klopfte. „Nicht mit Gewalt und roher Kraft, sondern mit kaltem Blut, wachem Geist und ruhiger Hand.“
    Er faßte die Kette mit dem Taschentuch an, probierte einen leichten Zug nach oben, einen stärkeren nach unten und steigerte sich innerhalb kürzester Zeit in dieselbe Wut, die schon Egons Kraft vor ihm in die falsche Richtung gelenkt hatte. Nach einer knappen Minute war sein Zeigefinger ebenfalls verpflastert, allerdings der rechte.
    „Aha“, bemerkte Egon sarkastisch, „so wird es also gemacht!“
    Nun war Guddel an der Reihe.
    Der hatte, während seine Freunde arbeiteten, zugesehen und Zeit gehabt, die Theorie des Problems zu bedenken. Darum versuchte er es gar nicht erst mit Reißen und Ziehen, sondern setzte seinen Schraubenzieher aus der Gepäcktasche als Hebel an und konnte so die Kette Stück für Stück aus der Verklemmung lösen.
    „Ja, mit technischen Tricks!“ sagte Egon abwertend. „Das kann jeder.“
    „Die Kette ist viel zu lose“, sagte Guddel, „ich werde sie dir spannen, sonst passiert dir dasselbe noch mal.“ Er lockerte die Radmuttern, zerrte das Rad ein wenig nach hinten und drehte die Muttern wieder fest. „So,
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