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Karl der Dicke & Genossen

Karl der Dicke & Genossen

Titel: Karl der Dicke & Genossen
Autoren: Werner Schrader
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nicht mehr zu denken war.
    Karl stöhnte schwer und sorgte für die nötigen Verschnaufpausen.
    „Wollen wir nicht umkehren?“ fragte er erschöpft. „Wir sehen den Hermann doch auch schon von hier aus mit eigenen Augen. Er liegt zwar nicht gerade zu unseren Füßen, erhebt sich aber immerhin zu unseren Häupten. Das ist doch schon
    was. Die Einzelheiten begucken wir uns auf einer Ansichtskarte.“
    Schließlich hatten sie den Aufstieg aber doch geschafft. Erleichtert schoben sie ihre Räder auf den Zeltplatz. Während sie sich noch suchend umsahen, kam schon ein Mann in fleckigen Khakihosen zu ihnen herüber und wies ihnen einen Platz an.
    „Wir wollten eigentlich lieber da drüben unser Zelt aufbauen“, sagte Guddel.
    „Nein, ihr bleibt hier“, sagte der Mann in sehr bestimmtem Ton.
    „Wie seh’ ich denn das?“ rief Karl. „Haben Sie das etwa zu bestimmen?“
    „Jawohl, mein Dickerchen, ich bin nämlich der Platzwart. Was ich sage, wird gemacht. Hier ist eine Platzordnung. Daran habt ihr euch strikt zu halten. Wenn ihr das nicht tut, fliegt ihr, verstanden? So, nun bezahlt eure Übernachtungsgebühr, und dann baut meinetwegen euer Zelt auf. Die Räder gehören dahinten in den Stand. Toiletten findet ihr am Waldrand. Noch eines, meine Lieben: Um zehn Uhr abends herrscht hier absolute Ruhe. Alles Weitere könnt ihr auf der Platzordnung lesen.“
    Der Mann kassierte und wandte sich sogleich rufend und armwedelnd einer Gruppe von Ausländern zu, die mit einem mächtigen Wohnwagen die Einfahrt verstopfte.
    „Ich hab’ gar nicht gewußt, daß das was kostet“, brummte Karl.
    In aller Ruhe schlugen sie das Zelt auf.
    Dann stellten sie die Räder in den Stand und machten sich an die Besteigung des Denkmals.
    „Die Aussicht hier oben ist ja nicht schlecht“, sagte Egon anerkennend, „aber den Wind hat man dafür auch aus erster Hand.“
    Nachdem sie für Egons kleinen Bruder einen Fahrradwimpel und einen kupfernen Hermann gekauft hatten, bummelten sie langsam auf den Zeltplatz zurück.
    Dort empfing sie die Musik aus fünfundachtzig Kofferradios.
    Sie packten die restlichen Brote aus, die Frau Bobenhausen ihnen mitgegeben hatte, und kauften sich eine große Flasche Sprudel.
    „Am besten hauen wir uns jetzt schon hin“, sagte Guddel, „damit wir morgen ein ordentliches Stück schaffen.“
    „Ganz meine Meinung“, sagte Karl, „hier oben ist ja doch nichts weiter los.“
    Im Zelt nebenan dudelte ein Radio ununterbrochen. Sie hörten den Rest eines Sinfoniekonzertes, dann ein Hörspiel, die Schlager der Woche, mehrfach die Nachrichten, verspätete Suchmeldungen und Politik für Zaungäste. Schließlich platzte Guddel der Kragen. Er stand auf und ging zum Nachbarzelt hinüber, um sich zu beschweren. Als niemand auf sein Rufen antwortete, öffnete er das Zelt und sah hinein.
    Es war leer.
    Seine Bewohner waren unterwegs. Sie hatten beim Weggehen vergessen, das Gerät auszuschalten. Wütend stellte Guddel es ab. Endlich konnten sie einschlafen.
    Aber gegen Mitternacht wurden sie durch das laute Gesinge eines Betrunkenen wieder aus dem Schlaf gerissen.
    „Ab zehn Uhr herrscht vollkommene Ruhe“, knurrte Karl, „daß ich nicht lache! Wir sollten unsere Übernachtungsgebühr zurückfordern!“
    Als der Betrunkene zwei Minuten später auf ihr Zelt fiel und dabei eine Verspannung abriß, war Karl so wütend, daß er nach draußen stürzte und den Mann mit den Füßen sehr unsanft über den Platz rollte.
    „Danke schön“, lallte der und kroch auf allen vieren in das Nachbarzelt. Er war der Radiospieler.
    Am Morgen waren die Jungen wie gerädert.
    „Wenn du mich fragst“, sagte Egon, „mir reicht’s. Ich bin satt bis obenhin und habe den brennenden Wunsch, diese ungastliche Stätte so schnell wie möglich zu verlassen. Daß es hier Milch gibt und Brötchen, ist ja ganz schön, und daß man sich waschen kann, auch. Aber wenn man nachts keine Ruhe findet, spiel’ ich nicht mit.“
    Sehr früh saßen sie wieder auf den Rädern.
    Und als sie auf dem breiten Radweg gemächlich nebeneinander herfuhren, merkten sie, daß sie reisemüde waren und sich nach Hause sehnten.
     

 
    „Ob wir’s in zwei Tagen schaffen?“ fragte Guddel, als sie kurz vor Lemgo eine kleine Pause machen mußten, weil Egon Ärger mit seinem Gepäck hatte.
    „Mühelos!“ antwortete Karl. „Es sei denn, einer von uns hat einen Rahmenbruch und muß seinen Drahtesel tragen. Dann dauert es natürlich ein paar Stunden länger.“
    An
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