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Karl der Dicke & Genossen

Karl der Dicke & Genossen

Titel: Karl der Dicke & Genossen
Autoren: Werner Schrader
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Swimming-pool, einen ganzen Stall voller Pferde und ein halbes Dutzend Hunde aller Rassen und Hautfarben.“
    „Mensch, wie seid ihr denn zu so einer Tante gekommen?“ wunderte sich Karl. „Die ist ja geradezu ideal für unsere Zwecke.“
    „So ganz ideal wohl doch nicht“, wandte Guddel ein, „denn erstens ist sie, obwohl sie so reich ist, nicht verheiratet. Das läßt auf einen Charakterfehler, krumme Beine, abstehende Ohren, Hakennase und ähnliches mehr schließen. Und zweitens liegt Soltau nicht an unserer Strecke.“
    „Was heißt hier nicht an unserer Strecke!“ empörte sich Karl, „ein paar kleine Umwege müssen wir schon in Kauf nehmen, Hauptsache, es lohnt sich.“
    „Kleine Umwege ist nicht ganz die richtige Bezeichnung“, sagte Guddel. „Wenn es so weitergeht, preschen wir in einem Zickzackkurs durch die Landschaft. Wie willst du Soltau und Osnabrück an einer Strecke unterbringen?“
    „Ich weiß gar nicht, worüber ihr streitet“, sagte Egon. „Wir haben doch noch gar nicht festgelegt, wohin wir fahren. Meiner Meinung nach ist Soltau eine Reise wert.“
    „Einverstanden“, sagte Guddel, „aber nur, wenn deine übrigen Tanten und Onkel auch in der Lüneburger Heide wohnen, damit wir sie dann der Reihe nach abgrasen können.“
    Egon sah auf seinen Zettel.
    „In der Lüneburger Heide gerade nicht“, sagte er. „Die nächste haust in Fulda.“
    Karl seufzte.
    „Also streichen wir die krummbeinige Swimmingpool-Tante“, sagte er. „Hoffentlich hast du noch mehr von der Güte auf Lager?“
    Egon hob bedauernd die Schultern.
    „Leider nein. Tante Steffi ist die Perle im Geschmeide meiner Ahnen. Tja, und was da sonst noch so kreucht und fleugt, ist zu weit ab vom Schuß, Onkel Waldemar aus München zum Beispiel und mein Opa Kreiske aus Freiburg.“
    „Die besuchen wir im nächsten Jahr“, sagte Guddel, „wenn wir uns einen Hubschrauber angeschafft haben. Ich meine, wir sollten uns jetzt erst einmal darüber klarwerden, wohin wir fahren wollen, und uns dann fragen, ob wir der einen oder anderen Tante, die am Wegesrand wohnt, auf die Nerven fallen können. So ins Blaue hinein zu phantasieren hat wenig Sinn.“
    Nach dieser kritischen Unterbrechung bekam die Sache Hand und Fuß. Die Jungen wurden sich rasch einig über die Reiseroute. Sie wollten an der Weser entlang bis nach Hannoversch Münden fahren und dann durch den Harz zurück. Von den vielen Verwandten, die ihnen unterwegs Unterkunft bieten könnten, blieb nur Karls Opa Hameln übrig, und von dem durften sie sich nicht viel erwarten. Der alte Herr mußte ein unliebsamer Zeitgenosse sein. Er lebte zurückgezogen von der Rente, auf die er sich als Meister in den Wesermühlen ein Anrecht erworben hatte, und pflegte keine Kontakte mit Kindern und Kindeskindern. Karl hatte ihn noch nie gesehen, er kannte ihn nur durch die Schilderungen seiner Mutter. Sein Vorzug war, daß er in Hameln wohnte, also direkt am Reiseweg. Für den Notfall merkten sie sich noch die Adresse von Karls Tante Tina aus Lemgo, die einen riesengroßen Pflaumengarten besitzen sollte. „Das war mal wieder viel Lärm um nichts“, sagte Karl abschließend. „Und dabei hatte ich mir das so schön gedacht, jeden Abend die Füße unter einen anderen gedeckten Tisch strecken zu können.“
    „Besser einen Umweg in der Planung“, belehrte ihn Guddel, „als in der Natur. Da kann dir jeder Kilometer, den du unnötig fährst, die Laune verderben.“
     

 
    Der nächste Tag blieb der Fahrradpflege Vorbehalten. Karl der Dicke saß in seinem besten weißen Sporthemd auf einem Hauklotz im Hof seiner Eltern, beim Radputzen macht man sich ja nicht dreckig, und arbeitete so heftig an seinem vernachlässigten Vehikel herum, daß er kaum Zeit fand, sich mit der ölverschmierten Hand das Haar aus der Stirn zu streichen oder das hellrot aus seinem rechten Zeigefinger quellende Blut abzulecken. So kleine Verletzungen, die bei ernsthafter Arbeit unvermeidlich sind, konnten ihn in seinem Eifer nicht hemmen. Außerdem gab das Blut neben den schwarzen Ölflecken auf dem weißen Hemd ein hübsches Bild ab.
    Die Sonne brannte ihm auf den Rücken, der Schweiß rann ihm in die Augen, und er sang sein Zensurenlied, das einzige Lied, das er ungefähr nach der Melodie singen konnte, die der Komponist sich hatte einfallen lassen, und das er immer dann sang, wenn der Lehrer in der Schule die Gesangszensuren festlegen wollte.
    „Oh, wie es kalt geworden!“
    Das paßte zwar nicht in die
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