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Karl der Dicke & Genossen

Karl der Dicke & Genossen

Titel: Karl der Dicke & Genossen
Autoren: Werner Schrader
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Fortbewegung diene. Man könne sich draufsetzen und fahren, wenn genug Luft in den Reifen sei, man könne klingeln und bremsen, könne geradeaus und in die Runde fahren und auf dem Gepäckträger seinen Freund mitnehmen, wenn kein Polizist in der Nähe sei.
    Gewiß, gewiß, das ist alles richtig, aber zum Lobe des Fahrrades läßt sich noch viel mehr sagen! Höre: ein Fahrrad ist das einzige Verkehrsmittel, das kein Geld mehr kostet, wenn man es sich angeschafft hat. Die paar Pfennige für ein Ventil darfst du nicht rechnen. Außerdem braucht es kaum Pflege. Du kannst monatelang darauf herumfahren, ohne es jemals zu waschen oder zu ölen. Versuche das mal mit einem Auto! Es ist wendig und schnell und fädelt sich geschickt durch den dichtesten Verkehr. Wer ein Fahrrad benutzt, kennt keine Parkplatznot und braucht keine Garage. Er kann es auf dem Dachboden, in der Speisekammer oder unter seinem Bett übernachten lassen. Immer wird es gut ausgeruht am nächsten Tag wieder seinen Dienst tun.
    Ein Fahrrad ist ein Freund.
    Du wirst, verehrter Leser, in regelmäßigen Abständen an dieser Stelle von den Erlebnissen lesen können, die drei junge Radwanderer auf ihrer Fahrt durch Deutschland haben. Beneide sie von Herzen, aber wünsche ihnen Glück. Wenn du Schwung genug hast, eiferst du ihnen eines Tages nach.“
    Als Guddel so weit war, hatte er vier Seiten vollgeschrieben und das Gefühl, seine Geschichten und ihre Fahrt gut eingeführt zu haben. Er brachte die Putzsachen in den Keller zurück und wusch sich die Hände. Schon wollte er die Geschichte in Reinschrift auf große Briefbögen übertragen, da hörte er die Laufklingel Karls des Dicken so schrill vor dem Haus, daß man glauben konnte, die Feuerwehr rücke aus, um einen Brand zu löschen.
    Guddel ging wieder in den Garten.
    Soeben sauste Karl um die Hausecke.
    „Und die Sonne scheint nicht mehr!“ sang er laut und innig, bremste zwei Zentimeter vor Guddel und wischte sich den Schweiß von der Stirn, denn die Sonne schien doch noch. Was sollte sie im Juli auch anderes tun!
    „Meine Karre fährt wie ‘ne Eins“, sagte Karl. „Bist du auch schon fertig?“ Guddel nickte.
    „Ich habe sogar schon den ersten Bericht für deinen dicken Onkel Eduard geschrieben. Willst du ihn mal hören?“ Aber Karl hatte noch keine Lust. Literarisches verschob er gern auf die Zeit kurz vor dem Einschlafen. Er verstand sowieso nicht viel davon und hielt Dichter im Grunde für sehr überflüssig. Es mochte ja Kunst sein, wenn jemand so das Leben betrachtete und klangvolle Verse darüber in ein Notizheft hauchte, aber anhören konnte man sich den gereimten Quatsch doch nur, wenn man schon fast schlief. Das war doch alles nicht echt. Das wirkliche Leben war ganz anders. Weil Karl so dachte, hatte er Guddel auch den Beinamen Schmalz gegeben. Schön, im Augenblick konnte man Geld aus Guddels Talent schlagen, das ließ man sich gefallen. Und man mußte auch Begeisterung heucheln. Aber daß man sich die Spinnereien am hellen Tage anhören sollte, war entschieden zuviel verlangt.
    Guddel kannte Karls Einstellung, darum verkniff er sich das Beleidigtsein und hoffte auf ein interessiertes Lesepublikum.
    „Mensch, du hast ja ‘nen Rückspiegel dran!“ rief Kar! plötzlich.
    „Der ist ja prima! Aber wackelt der nicht, wenn du einen ordentlichen Zahn drauf hast?“
    „Keine Spur! Der sitzt so fest wie du am Reck, wenn du ‘ne Flanke machen sollst.“
    „Blödmann“, sagte Karl und setzte sich auf Guddels Rad. „Geh ‘runter!“ rief der. „Für dein Gewicht reicht die Luft nicht!“ Aber Karl hörte nicht. Er stieß sich mit dem Fuß ab und fuhr durch den Garten. Dem Birnbaum wich er geschickt aus, auch den Misthaufen ließ er links liegen, aber dann stieß er gegen einen Stein und landete krachend zwischen den Bohnenstangen, so daß die sich splitternd auf die Seite legten. Schimpfend rappelte er sich wieder auf.
    „Ihr habt vielleicht einen blöden Garten“, sagte er, während er sich mit der einen Hand das Knie und mit der andern den Hintern rieb.
    „Ja, ja“, rief Guddel lachend, „radfahren müßte man können!“
    Karl befreite das Rad aus den Bohnenranken und bemühte sich um die entwurzelten Stangen. Heimlich wischte er mit seinem Taschentuch über den rechten Handgriff des Fahrrades, der sich bei dem Sturz tief in den lockeren Boden gebohrt hatte. Dann setzte er sich zu Guddel auf die Gartenbank.
    „Was schreibste denn da schon wieder?“ fragte er ihn. „Das
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