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Karl der Dicke & Genossen

Karl der Dicke & Genossen

Titel: Karl der Dicke & Genossen
Autoren: Werner Schrader
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halten kann“, sagte Karl. „Nichts ist ja so unangenehm wie ein leerer Magen, wenn du stundenlang fahren mußt.“
    Die beiden fuhren auf dem breiten Radweg nebeneinander her. Die Sonne guckte über die Häuser und versprach einen regenlosen Tag.
    Um neun Uhr waren sie in Bremen.
    „Wir müssen unbedingt in den Bleikeller und in den Dom“, sagte Egon. „Und dann kenn ich da am Markt eine Konditorei, wo es eine sagenhafte Schneemustorte gibt. Kommt, ich führe euch!“
    „Nun hör dir das an“, rief Karl. „Gestern hat er noch geprahlt, daß wir Bremen in- und auswendig kennen, und jetzt will er Kultur tanken. Wenn ich mich recht erinnere, wollten wir doch in Minden die erste Rast machen!“
    „Wer spricht von Rast!“ verteidigte sich Egon. „Ich will nur versuchen, mein erstes Interview in den Kasten zu kriegen.“
    „In der Konditorei, was?“
    „Jawohl! Da trifft man immer interessante Leute!“
    „Aber bestimmt nicht schon morgens um neun.“
    Weil aber auf dem Domshof gerade Wochenmarkt war, hielt Karl doch an, allerdings nur, um schnell und billig eine Tüte Süßkirschen zu kaufen. Guddel hielt hilfsbereit sein Rad, während Egon seins an eine Hauswand stellte und möglichst unauffällig seinen Hintern rieb, der nach den ersten zwanzig Kilometern schon Druckstellen hatte.
    Karl tauchte unter zwischen Kirschen, Pflaumen, Äpfeln und Bananen. Als er nach einigen Minuten wieder zurückkam, befand sich ein großer Herr mit Sonnenbrille und weißer Schirmmütze in seiner Begleitung.
    „Was will der Knabe denn von Karl?“ fragte Egon verwundert und stieß Guddel in die Seite.
    „Keine Ahnung“, antwortete der. „Sieht aus wie ein Amerikaner auf Europatrip.“
    Da war Karl heran.
    „Jungs“, sagte er, „dies ist Mr. Jesson aus den Staaten. Er möchte gern zum Roland und zur Böttcherstraße und hat mich gebeten, ihn zu führen.“
    „Hello, Boys“, sagte Mr. Jesson.
    „Hello“, sagten auch Guddel und Egon.
    „Könnt ihr mir zeigen die Roland und die berühmte Böttcherstraße? Mein Großvater war geboren in Bremen, und ich wünsche zu sehen seine Stadt.“
    Karl zwinkerte Egon und Guddel verstohlen zu und rieb unauffällig Daumen und Zeigefinger aneinander, um anzudeuten, daß die Führung ihnen bestimmt eine Belohnung einbringen würde.
    Natürlich waren Egon und Guddel bei dieser Erwartung einverstanden, die Fahrt schon hier für eine Weile zu unterbrechen, auch wenn das nicht eingeplant war. Sie baten eine Marktfrau, ab und zu ein Auge auf ihre Räder zu werfen, und schoben los. Karl marschierte mit Mr. Jesson vorneweg. Er ging keineswegs sofort auf den Marktplatz zum Roland, sondern unterbrach den lächerlich kurzen Weg so oft wie möglich, um den Preis für die Führung in die Höhe zu treiben.
    „Da drüben sehen Sie den Eisernen Kanzler ganz aus Kupfer“, erklärte er und wies auf den grünspanüberzogenen Bismarck vor dem Dom.
    „Der reitet da schon jahrelang und kommt und kommt nicht vom Fleck.“
    Guddel grinste. Karl aber dozierte weiter: „Vor Ihnen erhebt sich das stattliche Bürgerschaftsgebäude. Das ist ganz neu und hat ein Heidengeld gekostet. Da sitzen die Senatoren und ihre Helfershelfer den ganzen Tag herum und beraten, ob die Straßenbahn teurer oder billiger werden soll.“
    „Aha!“ sagte Mr. Jesson.
    „Was Ihnen da drüben ins Auge springt“, fuhr Karl fort, „ist der Schütting. Da wurden früher die Waren gewogen und durcheinandergeschüttet.“
    „Aha!“ sagte Mr. Jesson.
    „In diesem Augenblick“, erklärte Karl, ohne sich durch Mr. Jessons uninteressiertes „Aha“ irritieren zu lassen, „stehen Sie vor dem Rathaus, dem schönsten der Welt. Richten Sie Ihren Blick bitte auf diese Säulen!“
    Aber Mr. Jesson wollte seinen Blick nicht mehr auf Rathaussäulen und anderes Beiwerk richten, sondern endlich den Roland sehen. Und zwar sofort.
    „Wo ist die Roland?“ fragte er kurz. „Die berühmte Bremer Roland?“
    „Sie stoßen ja fast mit der Nase an seine spitzen Knie“, sagte Guddel. „Hier steht er doch!“
    Der Amerikaner riß die Augen auf. Er schaute erst den Roland und dann seine jungen Führer zweifelnd an.
    „Das ist die Roland?“ rief er enttäuscht. „Die berühmte Bremer Roland?“
    „Ja“, sagte Karl in sehr bestimmtem Ton, „das ist er. Haben Sic gedacht, das sei ein Student beim Fechten? Er ist der größte und schönste seiner Art in der ganzen Welt.“
    „Und ich habe geglaubt, Roland ist so groß wie Freiheitsstatue in
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