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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin
Autoren: Kate Pepper
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aus.
    Zehn Minuten später kam ich im Nachthemd aus dem Badezimmer. Mein Atem roch nach Pfefferminze, mein Gesicht glänzte von der Nachtcreme, und meine Haare waren vom Bürsten statisch aufgeladen. Zu meiner Überraschung stand Mac angezogen im Flur. Seine Wangen waren vom Fieber gerötet.
    »Hä?«, entfuhr es mir in meiner Verwirrung. Ungläubig starrte ich ihn an.
    »Ich muss etwas erledigen.«
    »Du musst ins Bett.«
    »Ich treffe mich mit Billy.«
    »Nein, kommt überhaupt nicht in Frage.« Ich nahm seine Hände und versuchte, ihn durch den Flur zurück ins Schlafzimmer zu lotsen, doch er sträubte sich.
    »Du verstehst das nicht, Karin.«
    »Mac, du hast die Grippe. Das ist doch vollkommen absurd. Du kannst nicht mitten in der Nacht bei null Grad rausgehen und dich mit Billy treffen. Was immer er von dir möchte, es kann bis morgen warten.«
    »Nein, das hier nicht.« Er schritt auf die Treppe zu.
    »Und warum nicht?«
    Er hielt inne, drehte sich um und blickte mich an. »Ich bin schon ein großer Junge, Karin, und kann auch ohne deine Hilfe Entscheidungen treffen.«
    »Du bringst mich gerade ganz schön auf die Palme.«
    Sein Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen, bis ein Hustenanfall ihn zwang, sich nach vorn zu beugen, die Hände auf die Knie zu stützen und unkontrolliert nach Luft zu japsen.
    Ich verschwand im Badezimmer und kam mit einer Schachtel Kosmetiktücher zurück. Als er sich wieder aufrichten konnte, zupfte er eins heraus und putzte sich die Nase. Ich berührte seine Stirn, die noch heißer als zuvor war.
    »Wir müssen deine Temperatur messen.«
    Er gab nach und legte sich angezogen aufs Bett. Ich schaltete eine Lampe ein und musterte ihn im gelben Lichtschein, während er mit dem Fieberthermometer im Mund zu atmen versuchte. Eine Minute später verkündete ein Piepton, dass die Messung abgeschlossen war: 40,1 Grad. Ich zeigte ihm das Ergebnis.
    »Willst du immer noch los?«
    »Ich muss.« Er machte jedoch keine Anstalten, sich zu erheben.
    »Liebling, was ist los?« Ich setzte mich neben ihm aufs Bett, hielt das Thermometer in der einen Hand und berührte seine glühende Wange mit der anderen.
    »Ich habe Billy versprochen, es niemandem zu erzählen. Nicht einmal dir.«
    »Was darfst du mir nicht erzählen?«
    Ich wartete und merkte, wie ich zunehmend nervöser wurde, was mich gar nicht freute. Schließlich holte er tief Luft, hustete und sah mich an.
    »Er wird es verstehen.«
    »Das wird er ganz bestimmt.«
    »Ich würde gehen, wenn ich könnte.«
    »Ich kann ihn anrufen und ihm ausrichten, dass du krank bist.«
    »Nein, ruf ihn nicht an. Geh du an meiner Stelle.«
    Es war kurz vor Mitternacht. Um den Gefrierpunkt. Und stockdunkel. »Wohin?«
    »Kreuzung Warren und Nevins Street. Du kannst zu Fuß gehen; das ist ganz in der Nähe. Aber es wäre mir lieber, wenn du meine Waffe mitnimmst.«
    Warren Street, Nevins Street – natürlich. Es war bis dorthin wirklich nur ein Katzensprung, doch normalerweise ging ich nie in diese Richtung. »Eine Waffe brauche ich nicht.«
    »Eine Weiße, die mitten in der Nacht allein durch eine Sozialbausiedlung spaziert ...«
    »Keine Waffe.« Je öfter ich gezwungen gewesen war, auf Menschen zu schießen, desto stärker wurde meine Abneigung gegen Schusswaffen. »Was treibt Billy dort?«
    »Vermutlich ist er an einem Tatort. Es kommt manchmal vor, dass er an Tatorten Flashbacks kriegt und die Kontrolle verliert, was ihm eine Heidenangst einjagt.«
    »Was passiert, wenn er die Kontrolle verliert?«
    »Er halluziniert.«
    »Gütiger Gott.«
    »Ganz deiner Meinung.«
    Vor anderthalb Jahren hatte Billy auf einem Dach während eines Schusswechsels mit der Frau, die er liebte, sein Auge verloren. Der Schock und der Vertrauensbruch waren in vielerlei Hinsicht traumatisch gewesen – physisch, emotional und beruflich. Doch nachdem er pflichtschuldig die vorgeschriebene Auszeit genommen hatte, war er wieder in den Polizeidienst zurückgekehrt. Manche Polizisten waren offenbar in der Lage, ein traumatisches Ereignis einfach abzuschütteln, andere brachen sofort zusammen, und dann gab es noch jene, die nach und nach aus dem Leim gingen. Mit welcher Sorte man es zu tun hatte, wusste man meistens erst, wenn eine gewisse Zeit verstrichen war. Wir hatten geglaubt, Billy wäre über den Berg, doch offenbar hatten wir uns getäuscht.
    »Hat er jemanden, der ihm hilft?«
    Mac schüttelte den Kopf. »Er hat Schiss, dass das ein schlechtes Licht auf ihn wirft und er am Ende
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