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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin
Autoren: Kate Pepper
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irgendwann mal als Postwurfsendung gekommen war. Ich wollte das Ding schon in den Mülleimer werfen, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne. Mac und ich nutzten ausschließlich die Kalenderfunktion unserer Handys, aber vielleicht benutzte ein anderer ja diesen Taschenkalender. Wie sich zeigte, war meine Vorsicht angebracht: Beim Durchblättern der Seiten stieß ich auf ein paar Einträge, die – nach der Handschrift zu urteilen – von Chali stammten. Erst da fiel mir wieder ein, dass ich ihrer Bitte entsprochen und ihr den kleinen Kalender überlassen hatte. Ich legte ihn in die Schublade zurück und setzte mich mit dem Vorlesungsverzeichnis an den Küchentisch.
    Eigentlich hätte sie am 1. Januar das Licht der Welt erblicken sollen. An Neujahr. War der Wunsch, noch eine Tochter zu bekommen, zu gewagt gewesen? Vielleicht sogar vermessen? Es war eine gefährliche Hoffnung gewesen – als ob Cece ersetzt werden könnte. Natürlich war das absurd, und dennoch war es irgendwie ein verborgener Wunsch in mir gewesen, den ich niemals offen auszusprechen wagte. Während ich mit Leah, Elsa oder Caroline schwanger ging, überkam mich eine unsagbare Rastlosigkeit, als hätte dieses neue kleine Wesen die Macht, die nagende Leere in meinem Innern auszumerzen. Doch ihre Totgeburt verstärkte diesen Zustand nur noch. Als ich damals vor vier Jahren schwanger wurde, litt ich nicht unter solchen widerstreitenden Gefühlen. Vermutlich lag das daran, dass Ben ein Junge war, Mac und ich erst kurz davor geheiratet hatten und ich mich schlichtweg freute, noch am Leben zu sein.
    Jede einzelne Stunde während der vergangenen acht Wochen und drei Tage hatte sich unglaublich zäh und bleiern angefühlt.
    Nun standen gleich mehrere Familienfeiern vor der Tür: in zwei Wochen Weihnachten und in einem Monat Bens Geburtstag. Bislang war ich nicht dazu gekommen, Geschenke zu besorgen und die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen.
    Während ich die Kursinhalte überflog, fragte ich mich, woher ich die Energie nehmen sollte, mich um Ben zu kümmern, zu arbeiten und obendrein zwei Seminare zu belegen. Nach meiner Fehlgeburt war ich vorübergehend nicht mehr aufs College gegangen, doch einer der Kurse hatte mich so sehr fasziniert, dass ich nun versucht war, ihn abermals zu belegen: »Schuldunfähigkeit und die Simulation psychischer Störungen, eine Einführung«. Da mich bei der Beurteilung von Verbrechern die Grauzone zwischen vorgetäuschter und echter Geisteskrankheit besonders interessierte, holte ich meinen Laptop, stellte ihn auf den Küchentisch und fuhr ihn hoch. Danach loggte ich mich auf der College-Website ein und meldete mich für das Seminar an. Mit der Entscheidung, ob ich noch einen zweiten Kurs belegen sollte – und falls ja, welchen -, konnte ich mir noch Zeit lassen, denn das Semester begann erst Anfang Februar.
    Während ich das Vorlesungsverzeichnis wieder in die Schublade legte, fiel mein Blick auf Macs Handy und das rot blinkende Licht. Wer schickte ihm wohl am Sonntagabend eine SMS? Ging es um etwas Wichtiges? Ich beschloss, gegen die unausgesprochene Regel, die Privatsphäre des anderen zu wahren, zu verstoßen, und las die Textnachricht.
    Sie stammte von Detective Billy Staples, der seit unserer Hochzeit und unserem Umzug nach Brooklyn Macs bester Freund war und gleich bei uns um die Ecke auf dem 84. Polizeirevier arbeitete. Die Nachricht war kurz und – zumindest für mich – unverständlich.
    Warren Nevins
    Mit dem Handy machte ich mich auf den Weg in die untere Etage, schaltete im Vorbeigehen das Wohnzimmerlicht aus und hinterließ – so empfand ich es wenigstens – eine eisige und gespenstige Leere. Wir hatten das Heizungsthermostat so eingestellt, dass die Temperatur um elf Uhr nachts abgesenkt wurde. Nun verriet die zunehmende Kälte mir, dass es bereits spät geworden war. Ich war müde und hatte große Lust, neben Mac ins warme Bett zu kriechen, zumal Ben stets gegen sechs Uhr in der Früh aufwachte.
    Kaum trat ich an Macs Bettseite, um das Smartphone auf seinen Nachttisch zu legen, spürte ich die Hitze, die sein Körper abstrahlte.
    »Ich bin wach«, flüsterte er.
    »Du hast eine SMS gekriegt.« Ich reichte ihm das Handy.
    Das fahle Licht des kleinen quadratischen Displays fiel auf sein Gesicht. Die beiden Worte starrte er länger an, als es zum Lesen nötig war. Dann legte er das Handy neben ein paar zerknüllte Papiertaschentücher auf den Nachttisch, schloss die Augen und stieß einen Seufzer
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