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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin
Autoren: Kate Pepper
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glauben?«
    Dachte er, dass ich mit ihm dort war? Ich war seinerzeit tatsächlich mit ihm auf dem Dach gewesen. Anderenfalls wäre er jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach tot.
    »Ja, es ist passiert«, antwortete ich.
    »Das kann einfach nicht sein.«
    »Doch, es ist passiert. Vor langer Zeit. Komm zurück in die Gegenwart, Billy.«
    Er zitterte. Ich verspürte den Drang, die Hand auszustrecken und den Reißverschluss seines blauen Parkas hochzuziehen, nur fürchtete ich, ihn damit vollends aus der Bahn zu werfen. Jasmine hatte an einem warmen Sommertag auf ihn geschossen, und nun hatte der Flashback ihn offenbar in den Juni zurückkatapultiert und ihn dazu veranlasst, trotz der kalten Dezemberluft seine Jacke zu öffnen.
    Schweiß tropfte von seiner Stirn und seinen Schläfen auf den Mantelkragen. Er nahm meine Hand; seine Haut fühlte sich heißer an als die von Mac.
    »Atme ganz tief durch, Billy, mach es mir nach.« Ich holte Luft, hielt kurz inne und atmete langsam aus.
    Es dauerte einen Moment, bis er meinem Beispiel folgte. Während wir langsam ein- und ausatmeten, fixierte er mich mit seinem linken Auge. Dabei weitete sich seine Pupille wie eine erblühende Rose.
    »Ich fühle mich nicht so toll«, meinte er.
    »Ich weiß.«
    »Wo ist Mac?«
    »Liegt mit Grippe im Bett.«
    »Tut mir leid.«
    »Ist ja nicht deine Schuld.«
    »Nein, ich meine das hier.«
    »Wie ich schon sagte, es ist nicht deine Schuld.«
    Er beugte sich vor und blickte die Straße hinunter zu den Blaulichtern am Tatort, die seinen Flashback ausgelöst hatten. »Ich bin nicht gerade erpicht darauf, dass mir jemand meine Rechte vorliest.«
    Damit spielte er auf La-a an, seine Partnerin, deren Name tatsächlich mit einem Bindestrich geschrieben, aber Ladasha gesprochen wurde.
    »Ich rede mit ihr.«
    »Das glaube ich gern.« Auf einmal grinste er, und dies führte dazu, dass sich mein Puls wieder etwas beruhigte.
    Ich trat einen Schritt zurück und half ihm auf die Beine. Billy war etwa eins fünfundachtzig groß und ich nur ein paar Zentimeter kleiner als er. Zur Aufmunterung legte ich den Arm um seine Taille.
    »Möchtest du von hier verschwinden?«, fragte ich ihn.
    »Geht nicht. Ich bin im Dienst.«
    »Dann bleibe ich noch bei dir.«
    »Das ist ein freies Land«, entgegnete er flapsig, aber ich spürte, dass er sich über mein Angebot freute.
    Erst als wir uns den Blaulichtern näherten, stellte ich fest, dass es sich in Wahrheit um zwei Tatorte handelte und nicht – wie es von fern ausgesehen hatte – lediglich um einen. Eine Handvoll Polizisten und Sanitäter scharten sich um eine auf dem Boden liegende Bahre, wo jemand gerade für den Abtransport ins Krankenhaus fertig gemacht wurde. Mitten auf der Straße parkte ein Minivan, und eine Frau mittleren Alters, die ich für die Fahrerin hielt, sprach mit zwei Polizisten, die alles notierten, was sie sagte.
    »Ich bin hier vorbeigefahren und habe da jemanden liegen gesehen.«
    »Sind Sie so spät nachts immer allein unterwegs?«
    »Ich war auf dem Weg zur Apotheke, um ein Rezept für meinen Sohn einzulösen. Sein Fieber ist gestiegen, und der Arzt meinte ...«
    Die beiden Polizisten tauschten skeptische Blicke aus. Das Opfer schien schwer verletzt zu sein, als wäre es von einem Auto angefahren worden. Der Van der Frau war weit und breit das einzige Zivilfahrzeug, doch es war auch durchaus möglich, dass ein Dritter an dem Unfall schuld war und Fahrerflucht begangen hatte. Da es keine Zeugen gab und das Opfer bewusstlos war, stellte niemand ihre Aussage in Zweifel.
    »Neergaard in Park Slope hat rund um die Uhr geöffnet, falls es Sie interessiert.« Die Frau griff in ihre Tasche und zog ein Rezept heraus. »Das hier ist die schnellste Strecke, weil es keine Ampeln gibt.«
    Soweit ich in der Dunkelheit erkennen konnte, klebte kein Blut an der Frontpartie des Fahrzeugs. Die Vorstellung, dass jemand das Opfer mit einem zwei Tonnen schweren Gefährt angefahren und dann einfach liegen gelassen hatte, jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Dennoch bezweifelte ich, dass ein ganz gewöhnlicher Autounfall Billys Reaktion ausgelöst hatte.
    »Was hat sich da drüben zugetragen?« Ich schaute zu dem anderen Tatort hinüber, wo es noch hektischer zuging als hier.
    Billys Miene wurde starr. »Anscheinend ist mein Freund aus der Versenkung aufgetaucht.«
    Sein »Freund« war kein Freund, und die Frustration und Bitterkeit, die in Billys Stimme mitschwangen, zeigten bei mir dieselbe Wirkung, als
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