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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen
Autoren: Barbara Streidl
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verwandelt sich die Wohnung immer in eine Sandwüste. Um 18:10 Uhr decke ich den Tisch für unser Kind, meinen Mann und mich. Zehn Minuten später ist die Suppe fertig. Mein Sohn haut den Lego-Turm um und verteilt die Bausteine überall auf dem Küchenboden. Er möchte Würstchen in die Suppe. Ich habe aber keine Würstchen gekauft. Er murrt, will lieber erst baden und nicht essen. Ich lasse Badewasser für ihn ein und räume die Lego-Steine auf, einigermaßen widerwillig unterstützt von meinem Sohn. Vergnügt klettert er dann in die Badewanne und spielt mit einem Waschlappen, einer Gummiente und einer leeren Shampooflasche. Ich sitze auf der Wäschekiste neben der Wanne und ermahne ihn, nicht zu sehr herumzuspritzen. Ich erkläre ihm, dass ich nicht genügend Zeit habe, ständig alles sauber zu machen.
    Gerade, als ich zu einer weiteren Mahnung ansetzen will, sagt er: »Das macht doch die Sofa.«
    Mein Sohn hat recht. Ich beschäftige eine Putzfrau, seitdem ich eine berufstätige Mutter bin. Sie heißt nicht wirklich Sofa, sondern Zsófia, ein ungarischer Name, der schwer auszusprechen ist für ein dreijähriges Kind. Die Putzfrau kommt jeden Dienstag und erledigt zwei Stunden lang das, was ich nicht schaffe und mein Mann auch nicht: Bad und Toilette sauber machen, die Bücherregale abstauben, die Böden wischen, ab und zu die Fenster putzen. Am Monatsanfang legt die Putzfrau ihre Rechnung auf den Küchentisch. Ich bezahle immer am selben Tag per Online-Überweisung – weil ich ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber habe. Denn obwohl sie nun schon einige Zeit meine Wohnung putzt, ist das für mich immer noch nicht selbstverständlich. Das fällt mir besonders auf, wenn ich mit anderen darüber spreche.
    Ich beteuere dann jedes Mal, dass ich wegen meiner Arbeit nicht mehr genug Zeit für den ganzen Haushalt habe. Auch wenn mein Mann am Wochenende oft einkauft, die Spülmaschine ausräumt und den Müll wegbringt. Ich bin mit Wäsche, Staubsaugen, Einkaufen, Kochen und den anderen täglich zu erledigenden Dingen ganz schön beschäftigt – auch weil ich meinen Sohn nicht vor dem Fernseher parke. Ich verschweige aber konsequent, dass ich nicht nur eine Putzfrau habe, sondern auch meine Büroblusen und die Hemden meines Mannes nicht mehr selbst wasche und bügle. Ich bringe sie in eine Reinigung. Ein Hemd, gewaschen und gebügelt, für 1,60 Euro. Da kann ich nicht mithalten – auch weil mein Ehrgeiz in Sachen messerscharfe Bügelfalten nicht sonderlich ausgeprägt ist.
    Ich bin froh, dass ich eine Putzfrau habe. Und ich glaube fest daran, dass ich ihr Leben besser mache, indem ich sie bei uns putzen lasse. Ganz offiziell, mit Rechnung, ohne Umsatzsteuer wegen der Kleinunternehmerregelung. Darauf bestehe ich. Die Steuerkanzlei, die die Einkommensteuererklärungen für meinen Mann und mich erledigt, hat uns darauf hingewiesen, dass es sogar ein finanzieller Vorteil ist, eine Putzfrau zu haben: Ich kann einen Teil der Kosten für sie steuerlich geltend machen. Ebenso wie die Kindergartengebühren. Es beruhigt mich, dass das alles so geregelt ist.
    Ich habe der Putzfrau, die ich über die Empfehlung einer Kindergartenmutter gefunden habe, zu Weihnachten Glühwein und Christstollen geschenkt. Ich bin immer sehr freundlich zu ihr – auch wenn wir uns eigentlich so gut wie nichts zu sagen haben. Was hauptsächlich daran liegt, dass sie eben aus Ungarn kommt und ihre Deutschkenntnisse über »Hallo« und »Es ist kalt draußen« kaum hinausgehen. Deswegen und auch, weil ich denke, es ist ihr bestimmt lieber, wenn sie meine Wohnung in Ruhe und ohne Publikum putzen kann, kommt sie morgens, wenn mein Mann schon weg ist und ich mit meinem Sohn zum Kindergarten aufbreche. Ich bin also nie da, wenn sie putzt. Das liegt auch daran, dass ich ihr nicht gerne dabei zusehen möchte, wie sie meine Wohnung putzt. Nicht weil sie putzt, sondern weil ich eben dieses schlechte Gewissen habe. Weil ich es nicht schaffe, selbst zu putzen.
    Mein Sohn wringt den nassen Waschlappen am Badewannenrand aus – die Hälfte des Wassers tropft auf den Boden. Ich wische mit einem Handtuch trocken und ermahne ihn, Sofa nicht zu viel Arbeit zu machen.
    Eine Bekannte hat kürzlich zu mir gesagt, dass sie keine Putzfrau haben möchte. Sie empfindet eine starke Verbundenheit mit ihrer Wohnung, die sie dadurch am Leben hält, dass sie alles sauber macht. Diese Verbundenheit ist ihr zu wichtig, als dass sie sich beim Wischen und Staubsaugen helfen lassen
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