Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kann denn Fado fade sein?

Kann denn Fado fade sein?

Titel: Kann denn Fado fade sein?
Autoren: Christina Zacker
Vom Netzwerk:
letztendlich trifft António die Entscheidung: »Ich komme nach Deutschland!«
    Es wird nicht einfach. Wir verstehen uns gut, unternehmen viel gemeinsam. António ist begeistert von meiner Heimat. Zumindest anfangs. Aber: Im Hotelgewerbe ist kein Job für ihn zu bekommen. Obwohl er mehrere Sprachen spricht, darunter auch Französisch, tut sich nichts, auch im nahen Frankreich nicht. António geht auf die Sprachenschule, aber Deutsch ist – wie Portugiesisch – wahrlich nicht leicht zu erlernen. Er will arbeiten, unbedingt – aber in seinem Beruf ergibt sich nichts. Über Wochen und Monate hinweg.
    António jobbt im Straßenbau, in einer Gärtnerei; glücklich ist er nicht dabei. Mir geht es ähnlich: Mein »stolzer Portugiese« ist traurig geworden, es ist nicht nur Heimweh, es ist saudade . Das Gefühl, das jeder Portugiese kennt, wenn er außerhalb seiner Heimat lebt. Wobei, das lerne ich später, als ich in Portugal lebe, saudade nichts mit Heimat zu tun hat. Sondern eher mit einem allgemeinen Gefühl der Sehnsucht – nach einer verlorenen Liebe, nach der glorreichen Vergangenheit, der großen Zeit Portugals.
    »Schwer erklärbar«, meint António ebenso wie seine portugiesischen Freunde. Ich finde immerhin heraus, dass das Wort als unübersetzbar gilt – dass nur Portugiesen es kennen und wissen, woran sie leiden.
    Es nutzt nichts, dass wir andere Portugiesen kennenlernen – obwohl einer von ihnen eine Kneipe hat und so für die unerlässlichen kulinarischen Heimatgefühle sorgt; er hat sogar Stockfisch auf der Speisekarte, er schenkt Sagres und Superbock aus – portugiesische Biere. Aber wenn sie dann zusammensitzen, haben sie alle gemeinsam saudade.
    Es hilft wenig, dass António hin und wieder nach Hause fliegt. Wenn er zurückkommt, dauert es ein paar Wochen, und er schiebt wieder Frust. Weil er nicht in seinem Beruf, den er über alles liebt, arbeiten kann. Weil er zwar Deutschland mag, meine Freunde ebenfalls, aber mit der Sprache nicht klarkommt. Fast zwei Jahre geht das so. Auf und ab, Liebesglück und saudade .
    Ein Lichtblick tut sich auf: Portugal richtet 2004 die Fußballeuropameisterschaft aus. António hat in Lissabon ein Spitzenangebot in seinem Job bekommen. Wir überlegen, dass wir den anderen Weg gehen, dass ich nach Portugal ziehe. Die Liebe ist bekanntlich eine Himmelsmacht. Sie sorgt dafür, dass wir nicht nur alles rosarot sehen und auf Wolken schweben, sondern sie überwindet zudem so manche Ländergrenze. Zunächst von Madeira nach Deutschland, dann von Deutschland nach Portugal.
    Warum eigentlich nicht?
    Mir ist es zwar nicht völlig egal, wo ich wohne. Aber es hält mich nicht sehr viel in Deutschland. Meine Freunde sind weit verstreut, meine Familie lebt in Bayern – mehr als vierhundert Kilometer von mir entfernt. Ob ich also drei Stunden Flugzeit oder vier Stunden Autobahnfahrt auf mich nehme – das macht im Grunde keinen großen Unterschied.
    Und meine Arbeit?
    Den Nebenjob werde ich ohnehin bald kündigen. Der war von vornherein nur auf bestimmte Zeit angelegt. Meine Hauptarbeit, also journalistisch tätig zu sein, kann ich überall dort tun, wo es Computer und Internet gibt.
    »Die gibt es in Portugal«, versichert António. Hätte es auch auf Madeira gegeben. Aber da hätte ich vielleicht nach ein paar Monaten den Inselkoller bekommen. Da ist mir das kontinentale Portugal eindeutig lieber. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich nach Madeira umgezogen wäre. Wir hatten das ja durchaus ins Auge gefasst.
    Jetzt haben wir immerhin fast zwei Jahre zusammengelebt – Probezeit sozusagen. Was die Zukunft bringen wird, lässt sich eh nicht voraussagen. Beziehungen gehen auch in Deutschland gut – oder laufen schief. Sonst hätte ich António gar nicht kennen- und lieben gelernt.
    Sind nicht aller guten Dinge drei? Erst entliebt, dann in Madeira verliebt und nun in António die große Liebe gefunden. Für Glück und ein gutes Leben gibt es keine Garantie. Emotionen können sich ändern, das weiß jeder, der ein wenig Lebenserfahrung hat.
    Ich weiß: Ich würde mir selbst in ein paar Jahren Vorwürfe machen, wenn ich in Deutschland bliebe, wenn ich die Chance nicht beim Schopf ergreifen würde.
    Für mindestens zwei Jahre bin ich finanziell abgesichert. António hat einen krisensicheren Job: Im Hotel- oder Restaurantgewerbe findet er immer Arbeit. Gerade in Lissabon. Wenn es da nicht klappt, dann eben an der Algarve.
    Wir denken uns: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
    Portugal
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher