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Kann denn Fado fade sein?

Kann denn Fado fade sein?

Titel: Kann denn Fado fade sein?
Autoren: Christina Zacker
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Fehlanzeige.
    Die nächste Hauswand ist gerade mal zwei oder drei Meter entfernt. So ist dafür gesorgt, dass die Wohnung ziemlich dunkel ist.
    Einen Balkon gibt es nicht. Wozu denn auch? Das Meer ist ja eh nicht zu sehen. Und dem Nachbarn auf den Teller zu schauen beziehungsweise sich selbst draufschauen zu lassen – das ist nicht mein Ding. Antónios glücklicherweise ebenfalls nicht. Allerdings reizt ihn die Nähe zum Stadion.
    Das einzig Positive: Die Wände sind mit wunderschönen Fliesen bedeckt, da geht mir fast das Herz auf. Vor allem, weil es alte und wohl handbemalte a zulejos sind. Beinahe werde ich schwach. Dann aber stelle ich mir vor, dass ich hier tagein tagaus leben und vor allem arbeiten soll.
    Freundlich, aber bestimmt gebe ich bekannt: »Das ist nicht so ganz, was ich mir vorgestellt habe.« Also auf zum nächsten Besichtigungstermin.
    Es geht gerade so weiter: Alles, was wir selbst aus der Zeitung fischen, ist ein Fehlschlag. Nichts dabei, wo wir uns auf Anhieb wohlfühlen, selbst wenn wir natürlich wissen, dass wir Kompromisse eingehen müssen. Man kennt das ja von der Wohnungssuche in Deutschland: Die Beschreibung in der Anzeige oder beim Telefonat mit dem Vermieter entspricht in den seltensten Fällen der Realität.
    Eine Chance geben wir uns noch: eine Wohnung in Cascais. Der kleine Ort liegt zwar knapp zwanzig Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Aber wenigstens direkt am Meer. Und es gibt eine sehr gute Bahnverbindung nach Lissabon. António erklärt sich bereit, Pendler zu werden. Nachdem es in der Stadt eh kaum Parkplätze gibt.
    Unser Treffpunkt ist neben einem großen Supermarkt. Leicht zu finden, auch den Vermieter erkennen wir auf Anhieb. Ein alter Herr, der einen sehr sympathischen Eindruck macht. Wir sollen ihm folgen – er fährt voraus.
    Ich lerne die typisch portugiesische Fahrweise kennen: mit Highspeed durch enge Gassen, über verkehrsreiche rotundas (ohne zu blinken, natürlich), bergauf und bergab. Und das alles von einem scheinbar seriösen Senioren in einem betagten Mercedes Benz. Wir kommen kaum hinterher, sehen ihn aber gerade noch direkt vor einer prachtvollen Apartmentanlage einparken.
    Palmen wiegen sich im Wind. Balkone zeigen sich mit schmucken Markisen. Ein Gärtner huscht durch gepflegte Blumenrabatten. Ich meine, das Türkisblau eines Pools durch die Hecke schimmern zu sehen. Man könnte sogar vielleicht einen Blick auf ein Stückchen Atlantik erhaschen. Ach wie schön …
    Die Realität holt uns wieder ein.
    Die Wohnung, die zur Vermietung steht, befindet sich nämlich nicht in dieser herrlichen Anlage. Sondern gegenüber. Und da sieht es ganz und gar nicht wundervoll aus: mehrere Hochhäuser aneinandergereiht, gut zehn Stockwerke hoch, ein wenig heruntergekommen.
    Anschauen kann mans ja mal. Immerhin sind es zum Meer und damit zum Strand zu Fuß nur knapp zehn Minuten, man hat den Blick auf die gegenüberliegenden Palmen – vielleicht ist es ja doch was. Positiv ist in jedem Fall, dass die Miete wirklich spottbillig ist. Im Gegensatz zumindest zu der Wohnung, mit der António in Benfica liebäugelte, die ein dunkles Loch war und trotzdem fast tausend Euro kosten sollte. Kaltmiete. Selbst wenn es hier im Gegensatz zu Deutschland viel weniger Nebenkosten gibt – das war dann doch zu viel. Bei dieser hier liegt der Mietpreis weit darunter. Und sie hat sogar einen Garagenplatz.
    Aber schon beim Betreten des Hauses weiß ich: Das wird nichts. Hier werde ich mich nie und nimmer wohlfühlen. Wie in einem dunklen, riesigen Bienenstock sieht es hier aus. Manche Wohnungen haben sogar Fensteröffnungen zur Treppe hin – merkwürdig irgendwie. Außerdem mieft es enorm: Kochen die heute alle Kohlsuppe? Ich mag caldo verde ja auch – aber in der Nase haben muss ich dieses leckere Süppchen ja nun nicht ständig …
    Es ist also düster, riecht nicht gut – und als der Vermieter die Wohnungstür öffnet, trifft mich beinahe der Schlag: Der Architekt (oder war es der Vermieter selbst?) hat als besonders dekorative Variante der portugiesischen Fliesenkunst in die winzigen Räume riesengroß gemusterte, in Braun-Beige-Grün-Tönen gehaltene Fliesen anbringen lassen. Bis etwa Kopfhöhe. In jedem Raum.
    Es gibt zwar einen Balkon, aber der ist winzig und schwebt über der viel befahrenen Hauptstraße. Und das Meer würde man nur sehen, wenn man auf Zehenspitzen auf der Brüstung balanciert. António und ich sind uns einig: »Das geht gar nicht!«
    Langsam wird die Zeit
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