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Herz im Zwiespalt (German Edition)

Herz im Zwiespalt (German Edition)

Titel: Herz im Zwiespalt (German Edition)
Autoren: Patricia Alge
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Prolog
    Schottland, im Jahre 1488
    Es war ein herrlicher Sommertag in den sonst so wolkenverhangenen und regnerischen Lowlands. Die Sonne breitete sich wie ein riesiger, goldener Fächer über die sanfte Hügellandschaft des Tay-Tals aus und erhellte saftig grüne Wiesen und üppige Kornfelder. Der Himmel war klar und blau und die Luft roch angenehm nach Blumen und frisch geschnittenem Gras.
    »Wer zuerst die alte Eiche erreicht, hat gewonnen!«, rief Elizabeth Drummond übermütig und beugte sich tiefer über den schlanken Hals ihrer silbernen Stute. Ihr dunkelrotes Haar wehte wie ein dichter Schleier, während sie in halsbrecherischer Geschwindigkeit über die Wiesen und Feldwege von Stobhall hinweg flog.
    Allan Drummond jagte ihr in gestrecktem Galopp hinterher. »Das ist ungerecht! Du hast mich überrumpelt!«
    »Dann solltest du dich besser beeilen«, rief sie zurück und der Wind trug ihr fröhliches Lachen weit über die Felder. Einige Bauern sahen von ihrer Arbeit auf und winkten der jüngsten Tochter des Earls freundlich zu. Sie liebten ihr einnehmendes, fröhliches Wesen, wie es wohl jeder tat, der Lizz näher kannte. Im Gegensatz zu ihren beiden älteren Schwestern verbrachte Lizz nämlich viel Zeit im Dorf. Sie kümmerte sich um die Kranken und Bedürftigen, spielte mit den Kindern und erzählte ihnen oft stundenlang abenteuerliche Geschichten von ihren ruhmreichen Vorfahren. Letzteres lag ihr besonders am Herzen. Da nur die wenigsten Dorfbewohner lesen konnten, empfand sie es als ihre Pflicht, ihnen die alten Legenden und Schicksale ihrer Ahnen näher zu bringen. Lizz konnte den Gedanken einfach nicht ertragen, dass das Ansehen ihrer Vorfahren in Vergessenheit geriet.
    Was sie auch tat, sie tat es mit ganzem Herzen und der ihr eigenen Leidenschaft. Sie liebte die Ausritte und den Schwertkampf ebenso leidenschaftlich, wie sie die Näharbeiten und Stickabende mit ihren Schwestern hasste.
    Dies war auch der Grund, weshalb Lizz gerade am Ufer des Tay entlang preschte, als ob der Teufel persönlich hinter ihr her wäre. Sie hatte zwei volle Stunden in der Folterkammer, wie sie das Nähzimmer verächtlich nannte, verbracht. Allan warf den Kopf in den Nacken und lachte aus voller Kehle. Er hatte sich gerade mitten in einer Besprechung mit dem Earl befunden, als plötzlich wütendes Geschrei aus dem oberen Stockwerk zu hören gewesen war. Wenige Minuten später hatte Margarete, die älteste der drei Töchter, blass und mit ärgerlich zusammengekniffenen Lippen die Flucht ergriffen. Lizz war ihr leichten Schrittes und mit einem triumphierenden Lächeln im Gesicht in die große Halle gefolgt. Sie hatte gesiegt – für heute zumindest. Doch Allan wusste, dass spätestens am nächsten Tag der erbitterte Kampf zwischen den Schwestern weitergehen würde. Seit vor zwei Wochen ein Bote vom königlichen Hof angekommen war, um die Einladung zu den Krönungsfeierlichkeiten von James IV zu überbringen, war Margarete wild entschlossen, aus Lizz eine wohlerzogene junge Lady zu machen. Allans Blick glitt zu seiner Cousine, die soeben mit einem gekonnten Sprung über einen umgestürzten Baum hinweg setzte. Ihr dunkelgrünes Reitkleid flatterte lebhaft im Wind, während sie sich noch dichter über ihre Stute beugte. Himmel, ausgerechnet aus dem jungen Wildfang sollte eine gezierte, albern kichernde Lady werden. Allans Lachen verwandelte sich in ein Grinsen. Ein hartes Stück Arbeit, fürwahr. Er beneidete Margarete keineswegs um diesen Kampf, denn Lizz wehrte sich mit Händen und Füßen gegen die Lektionen in höfischen Manieren. Trotzdem war klar: Wie sehr Lizz sich gegen diesen Unterricht auch sträubte, Margarete würde sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen. Eines hatten nämlich alle Drummonds gemeinsam – sie waren unglaublich stur. Die kommenden Monate versprachen also recht kurzweilig zu werden.
    »Gewonnen«, rief Lizz erfreut und zügelte Lady Lou auf der kleinen Anhöhe. Von hier aus genoss man einen herrlichen Blick über das ganze Tal. Mit funkelnden Augen und von der Anstrengung geröteten Wangen sah sie Allan entgegen. »Du wirst allmählich alt, mein Lieber«, rief sie ihm übermütig zu. »Früher hast du es mir nicht so leicht gemacht. Wo bleibt nur dein Kampfgeist?«
    Mit perlendem Lachen glitt sie aus dem Sattel und umarmte schwungvoll den dicken, knorrigen Stamm der alten Eiche – wie sie es seit Kindesbeinen an tat. Sie hatte Allan einmal anvertraut, dass diese Geste ein Dank an das Leben und
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