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Kanada

Kanada

Titel: Kanada
Autoren: R Ford
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sagte, er habe früher schon mal Geschäfte hier gemacht, wir könnten also ohne Probleme oder Erlaubnis auf ihr Land fahren.
    Wir blieben auf dem schmalen Highway zwischen den Weizenfeldern, bis wir durch eine kleine staubige Stadt mit einem Getreidesilo kamen, dann bald in eine zweite, die Box Elder hieß – das war der Name der Schattenbäume in unserer Straße, Eschenahorn. Hier gab es eine kurze Main Street, über die Eisenbahngleise verliefen, mit einer Bank, einem Postamt, einem Lebensmittelladen, zwei Cafés und einer Tankstelle, ein überraschender Anblick mitten im Nirgendwo. Wir bogen ostwärts vom Highway ab auf eine schmale Schotterstraße, die direkt auf die Berge zuführte, dort sei auch die Ranch, die die Firma meines Vaters zu verkaufen hoffe. Vor uns nur noch Gebirgsausläufer und ein Meer aus Weizen, keine Häuser, Bäume oder Menschen. Reifer Weizen stand bis an den Straßenrand, gelb und prall wogte er in der heißen, trockenen Brise, die Staub durch unsere Wagenfenster blies und mir die Lippen verklebte. Unser Vater sagte, der Missouri liege jetzt südlich von uns. Wir könnten ihn nicht sehen, da er tief unterhalb eines Steilufers verlaufe. Lewis und Clark (die Namen sagten uns was) seien 1805 bis hierher gekommen und hätten genau dort, wo wir jetzt seien, Büffel gejagt. Durchs Visier eines Bombenschützen gesehen, ähnele dieser Teil von Montana, sagte er, den linken Ellbogen beim Fahren aus dem Fenster gelehnt, allerdings der Sahara, kein Ort, wo einer aus Alabama jemals gerne leben würde. Er zog Berner mit der Frage auf, ob sie sich wie eine aus Alabama fühle – schließlich sei er ja auch einer. Sie sagte nein, warf mir einen stirnrunzelnden Blick zu und zog ein Fischmaul. Ich teilte meinem Vater mit, ich fühle mich auch nicht wie einer aus Alabama, das schien ihn zu belustigen. Er sagte, wir seien alle Amerikaner, nur darauf komme es an. Danach sahen wir einen großen Kojoten auf der Straße, der ein ganzes Kaninchen in den Fängen hatte. Er hielt inne und musterte unser näher kommendes Auto, dann spazierte er in den hohen Weizen hinein, außer Sicht. Ein Vogel, laut meinem Vater ein Königsadler, schwebte am bilderbuchblauen Himmel, bedrängt von Krähen, die ihn vertreiben wollten. Drei Elstern hackten nach einer Schlange, die über die Straße huschte. Unser Vater scherte aus und überfuhr sie, es rumpelte zweimal unter den Reifen, und die Elstern flogen auf.
    Wir fuhren mehrere Kilometer auf dieser unbefestigten Straße, gefolgt von unserer eigenen Staubwolke, dann endete plötzlich der Weizen, und trockene, umzäunte, abgeweidete Grassteppe trat an seine Stelle, ein paar dünne Kühe standen reglos im Straßengraben, als wir vorbeifuhren. Mein Vater bremste und hupte, die Kühe schlugen aus und schnaubten und bequemten sich, große Dungströme von sich gebend, schwerfällig beiseite. »Na, also, Entschuldigung«, sagte Berner vom Rücksitz aus.
    Nach einiger Zeit kamen wir an einem alleinstehenden, flachen Holzhaus ohne Anstrich vorbei, das neben der Straße direkt auf dem nackten Erdboden stand. Ein Stück weiter folgten ein zweites und ein drittes, das man kaum in der schimmernden, flimmernden Hitze erkennen konnte. Sie waren in üblem Zustand, als sei etwas Schlimmes mit ihnen passiert. Das erste hatte weder eine Haustür noch Fensterscheiben, und der hintere Teil des Gebäudes war eingestürzt. Vor dem Haus lagen Karosserieteile von Schrottwagen, ein Bettgestell aus Metall und ein Kühlschrank. Hühner hackten und pickten im Boden herum. Mehrere Hunde lagen auf den Eingangsstufen und behielten die Straße im Blick. Ein Schimmel mit Zaumzeug war an einem Holzpfahl abseits vom Haus festgebunden. Heuschrecken hüpften durch die heiße Luft, die das Auto in Bewegung brachte. Jemand hatte einen schwarzlackierten Sattelschlepper mitten im Feld hinter dem Haus abgestellt, daneben einen kleineren Kastenwagen mit der Aufschrift HAVRE CARPET auf der Seite. Einige magere Jungen – einer davon ohne Hemd – kamen in den klaffenden Hauseingang gelaufen und musterten unser vorbeifahrendes Auto. Berner winkte ihnen zu, und einer der Jungen winkte zurück.
    »Das sind Indianerjungen«, sagte mein Vater. »Und hier leben sie. Die haben weniger Glück als ihr zwei. Kein Strom hier draußen.«
    »Warum leben sie bloß hier?«, fragte Berner. Sie spähte aus dem Heckfenster durch die Staubwolke auf das schäbige Haus und die Jungen. Für mich hatten sie nichts an sich, das sie als Indianer
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