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Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)

Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)

Titel: Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)
Autoren: David Graeber
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sowie die Verschärfung repressiver Maßnahmen, die zwangsläufig mit jeder neuen Kriegsmobilisierungswelle einhergehen, spielen sodann den autoritären Vertretern aller Seiten des politischen Spektrums in die Hände. Wenn dann die volle Tragweite unserer anfänglichen Erfolge deutlich wird, nehmen wir das nicht einmal zur Kenntnis, weil wir schon wieder viel zu sehr damit beschäftigt sind, uns wie Versager zu fühlen.
    Im Folgenden möchte ich die beiden oben erwähnten, bekanntesten Beispiele nacheinander untersuchen:

I. Die Anti-Atomkraft-Bewegung
    Bei der Anti-Atomkraft-Bewegung der späten Siebzigerjahre traten in Nordamerika zum ersten Mal all jene anarchistischen Taktiken und Organisationsformen in Erscheinung, die heute als üblich gelten: Massenaktionen, so genannte Affinity Groups oder Bezugsgruppen, Sprecherräte, Konsensfindungsprozesse, »Knastsolidarität« sowie das Prinzip der dezentralisierten direkten Demokratie an sich. Im Vergleich zur heutigen Zeit waren dies relativ primitive Vorgehensweisen, und es gab natürlich auch beträchtliche Unterschiede – insbesondere eine viel strengere Auffassung von Gewaltlosigkeit im Stile Gandhis –, aber dennoch waren bereits sämtliche Elemente vorhanden und wurden zum ersten Mal als ganzes Maßnahmenbündel eingesetzt. Zwei Jahre lang wuchs die Bewegung überraschend schnell, und alles deutete darauf hin, dass sie zu einem landesweiten Phänomen werden würde. Doch dann zerfiel die Bewegung fast genau so rasch wieder, wie sie entstanden war.
    Begonnen hatte alles im Jahr 1974, als mehrere altgediente Friedensaktivisten, die mittlerweile als ökologische Landwirte tätig waren, erfolgreich den geplanten Bau eines Atomkraftwerks in Montague im US-Bundesstaat Massachusetts verhinderten. Ermutigt durch den Erfolg einer ein Jahr andauernden Besetzung eines deutschen Kraftwerks, taten sie sich 1976 mit weiteren Aktivisten aus Neuengland zusammen und gründeten die so genannte Clamshell Alliance. Deren unmittelbares Ziel war es, den Bau eines geplanten Atomkraftwerks in Seabrook in New Hampshire zu verhindern. Zwar gelang es der Gruppe nicht, das Werk zu besetzen, dennoch wurde durch die Aktionen der Allianz die Idee der Atomkraft an sich in nie gekannter Weise in Frage gestellt. Auf dem Höhepunkt der Bewegung waren Zehntausende von Menschen direktdemokratisch an Aktionen beteiligt; es kam beispielsweise zu einer Reihe dramatischer Massenverhaftungen in Verbindung mit so genannter Knastsolidarität. Plötzlich bildeten sich überall im Land ähnliche Bündnisse: darunter beispielsweise die Palmetto Alliance in South Carolina, Oystershell in Maryland, Sunflower in Kansas und die bekannteste von allen, die so genannte Abalone Alliance in Kalifornien, die ursprünglich als Reaktion auf das irrsinnige Vorhaben entstanden war, ein Atomkraftwerk am Diablo Canyon und damit fast direkt über einer größeren geografischen Verwerfungslinie zu errichten.
    Die ersten drei von der Clamshell Alliance in den Jahren 1976 und 1977 durchgeführten Massenaktionen waren außerordentlich erfolgreich. Doch schon bald führten Unstimmigkeiten über demokratische Prozesse zu einer Krisensituation. Ein neu geschaffener Koordinierungsausschuss nahm im Mai 1978 unter Umgehung des üblichen Konsensfindungsverfahrens ein in letzter Minute vorgelegtes Angebot der Regierung an, anstelle einer geplanten vierten Besetzung des Atomkraftwerks
Seabrook eine dreitägige legale Kundgebung dort abzuhalten (unter dem Vorwand, die umliegenden Gemeinden nicht vor den Kopf stoßen zu wollen). Daraufhin entbrannten erbitterte Diskussionen über Konsensfindung und die Beziehungen zur Öffentlichkeit, die schließlich ausgeweitet wurden auf die Rolle der Gewaltlosigkeit (ursprünglich waren selbst das Durchschneiden von Zäunen, aber auch Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Gasmasken verboten), geschlechtsbezogene Vorurteile, Rassen- und Klassenprivilegien usw. 1979 hatte sich das Bündnis schließlich in zwei konkurrierende, und zunehmend wirkungslose, Lager aufgespalten, und Seabrook (oder zumindest einer der beiden ursprünglich geplanten Reaktoren) ging nach zahlreichen Verzögerungen doch noch in Betrieb. Die Abalone Alliance hatte unter anderem aufgrund ihres harten Kerns an Anarchafeministinnen etwas länger Bestand (bis 1985), doch letzten Endes wurde auch dem Atomkraftwerk Diablo Canyon die Genehmigung erteilt, und es ging im Dezember 1988 ans Netz.
    Nun wirkt eine solche Schilderung der
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