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Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)

Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)

Titel: Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)
Autoren: David Graeber
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einer im Grunde kleinbürgerlichen produktivistischen Ideologie an (man könnte auch sagen einer produktivistischen/konsumistischen Ideologie, da es sich dabei augenscheinlich um zwei Seiten derselben Medaille handelt). Zum anderen ist sie geprägt von einer viel grundlegenderen Ablehnung des schieren Prinzips Arbeit, wie es in unserer Gesellschaft vorherrscht. Allerdings wurde dieser Drang über weite Strecken des vergangenen Jahrhunderts von ihren »ehrbaren« führenden Vertretern so gut es ging unterdrückt, angeprangert oder absichtlich übersehen. Noch immer weigern sich Kapitalisten kollektiv, auch nur die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, ihre Grundannahmen über die Welt zu hinterfragen. Dies könnte nicht nur den Tod des Kapitalismus zur Folge haben, sondern praktisch die ganze Welt zerstören. Somit bleibt uns nichts anderes übrig, als die Dinge selbst in die Hand zu nehmen – und damit eine neue Sprache, ein neues gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln, was die Menschen im Grunde ausmacht und was sie realistischerweise von der Welt und voneinander erwarten dürfen. Man könnte sehr wohl argumentieren, dass das Schicksal der Welt hiervon abhängt.
    Darum geht es in vorliegendem Band. Das Buch stellt einen – wenn auch zögerlichen und bescheidenen – Versuch dar, einen Dialog über diese Themen anzustoßen. Vor allem aber möchte ich Mut machen und zeigen, dass die vor uns liegende Aufgabe möglicherweise nicht annähernd so gewaltig und einschüchternd ist, wie uns immer eingeredet wird.

Der Schock angesichts des Sieges
    Das größte Problem für Bewegungen der direkten Aktion ist: Wir wissen nicht, wie wir mit Siegen umgehen sollen .
    Das mag zunächst befremdlich klingen, da sich die wenigsten von uns in letzter Zeit für sonderlich erfolgreich hielten. Die Bewegung für globale Gerechtigkeit ( Global Justice Movement ) wird von den meisten Anarchisten inzwischen als unerwartetes, nur kurze Zeit andauerndes Phänomen angesehen: Zwar gingen von ihr, während es sie gab, zahlreiche Impulse aus, doch gelang es der Bewegung nicht, dauerhafte organisatorische Wurzeln zu schlagen oder die weltweiten Konturen der Macht zu verändern. Sogar noch entmutigender war in dieser Hinsicht die nach dem 11. September 2001 aufgekommene Antikriegsbewegung, und zwar weil Anarchisten und anarchistische Taktiken innerhalb dieser Bewegung weitgehend marginalisiert wurden. Natürlich wird der Krieg eines Tages enden, aber auch nur, weil Kriege ja immer irgendwann enden. Niemand hat momentan den Eindruck, sonderlich viel dazu beigetragen zu haben.
    Ich möchte jedoch an dieser Stelle eine anderslautende Interpretation anbieten. Dazu will ich drei erste Thesen formulieren:
Auch wenn es merkwürdig erscheinen mag, so leben die herrschenden Klassen doch in Angst vor uns. Die Vorstellung, dass sie womöglich am nächsten Baum aufgeknüpft würden, wenn die Durchschnittsbürger Wind von ihren Machenschaften bekämen, scheint ihnen nach wie vor
zuzusetzen. Auch wenn dies zunächst wenig plausibel erscheint, lässt sich nur schwerlich eine andere Erklärung dafür finden, dass sie augenblicklich in Panik verfallen, sobald es auch nur das geringste Anzeichen für eine Massenmobilisierung und insbesondere für eine direkte massenhafte Aktion gibt. Um hiervon abzulenken, zetteln sie dann im Normalfall irgendeine Art von Krieg an.
In gewisser Weise ist diese Panik durchaus gerechtfertigt. Denn direkte Massenaktionen – vor allem Aktionen, die nach direktdemokratischem Muster organisiert sind – haben sich als ungeheuer effektiv erwiesen. In den letzten dreißig Jahren hat es in Amerika lediglich zwei Beispiele für derartige Massenaktionen gegeben: zum einen die Anti-Atomkraft-Bewegung in den späten Siebzigern, zum anderen die so genannte »Anti-Globalisierungs«-Bewegung, die in etwa zwischen 1999 und 2001 aufgekommen ist. 2 In beiden Fällen wurden die Hauptziele jener Bewegungen sehr viel schneller erreicht, als sich die Mehrheit der daran Beteiligten je hätte erträumen können.
Das eigentliche Problem, vor dem solche Bewegungen stehen, ist also, dass sie stets davon überrascht werden, mit welcher Geschwindigkeit sich anfängliche Erfolge einstellen. Auf einen Sieg sind wir nie vorbereitet. Ein Sieg löst Verwirrung aus, und wir fangen an, uns gegenseitig zu bekämpfen. Die Regierung reagiert darauf stets, indem sie
sich in irgendwelche militärischen Abenteuer im Ausland stürzt. Die nationalistischen Appelle
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