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Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)

Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)

Titel: Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)
Autoren: David Graeber
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Kapitalismus nicht funktioniert, in der sich aber andererseits fast niemand vorstellen kann, wie eine Alternative aussähe. Der Krieg gegen die Fantasie ist der einzige Krieg, den die Kapitalisten bisher tatsächlich gewinnen konnten.

Kamikaze-Kapitalismus
    Vor diesem Hintergrund erscheint es nur folgerichtig, dass als erste Reaktion auf die Wirtschaftskrise keine überstürzte Kehrtwende hin zu einem Grünen Kapitalismus, und damit eine wirtschaftliche Reaktion, erfolgte. Das hatten damals die meisten Aktivisten, darunter auch ich, vorausgesagt. Stattdessen war eine politische Reaktion zu beobachten. Dies ist der eigentliche Zweck der Haushaltskürzungen. Jeder fähige Ökonom weiß, wohin es führt, wenn man während einer Rezession radikal die Ausgaben zusammenstreicht. Vielleicht wollen sie es nicht wahrhaben und zaubern zu diesem Zweck irgendwelche undurchsichtigen Formeln aus dem Hut, um ihren derzeitigen politischen Gönnern den Rücken zu stärken. Aber das
ist eben ihr Job. Im Grunde wissen sie, dass durch eine solche Maßnahme Katastrophen vorprogrammiert sind. Nur aus einer politischen Perspektive heraus ergibt eine solche Maßnahme einen Sinn. Die Finanzeliten haben der Welt bewiesen, dass sie in der einen Sache, von der sie behauptet hatten, sie könnten sie am besten – und zwar die Beurteilung von Werten  –, im Gegenteil völlig inkompetent sind. Um hiervon abzulenken, haben sie sich mit ihren politischen Kumpanen zusammengetan und bekämpfen jetzt gewaltsam alles, was auch nur danach aussieht, als ließe sich daraus eine alternative Sichtweise auf das Thema Wert ableiten, von sozialstaatlichen Leistungen bis hin zu Reflexionen über Kunst oder Philosophie (zumindest wenn sie nicht angestellt werden, um damit Geld zu verdienen). Die langfristige Überlebensfähigkeit des Kapitalismus hingegen scheint zumindest aktuell kein ausschlaggebendes Kriterium zu sein.
    Es verstört einen, wenn man weiß, dass man es mit einem selbstmordgefährdeten Gegner zu tun hat. Doch zumindest können wir jetzt klarer sehen, wofür wir kämpfen. Aktuell heißt das: Es geht um alles oder nichts. Und ja, mit großer Wahrscheinlichkeit werden sich die Kapitalisten über kurz oder lang wieder zusammenreißen und zur Besinnung kommen. Sie werden ihre Querelen beenden und dann schließlich das tun, was sie immer tun: Zuerst werden sie sich bei den sozialen Bewegungen, die sich gegen sie formieren, die sinnvollsten Ideen abschauen (beispielsweise gegenseitige Hilfe, Dezentralisierung, Nachhaltigkeit), mit dem Ziel, diese zu pervertieren und zu ausbeuterischen und schrecklichen Zwecken zu missbrauchen. Auf lange Sicht gesehen, falls uns das überhaupt vergönnt ist, ist das relativ unvermeidlich. In der Zwischenzeit jedoch haben wir es definitiv mit einem Kamikaze-Kapitalismus zu tun – einer Ordnung, die sich ohne
zu zögern selbst zerstören würde, falls das nötig ist, um ihre Gegner auszumerzen. Man kann hier ohne Übertreibung von einem Kampf zwischen den Mächten des Lebens und den Mächten des Todes sprechen.
    Doch wie können wir diese produktivistische Übereinkunft besiegen? An dieser Stelle mit endgültigen Antworten aufzuwarten, würde vermutlich den Rahmen dieses Essays sprengen. Doch wir sollten zumindest noch einmal über den bereits zuvor erwähnten notwendigen Dialog nachdenken. Dieser könnte mögliche Richtungen vorgeben. Vermutlich wäre es sinnvoll, uns zunächst einmal bewusst zu machen, dass wir alle Arbeiter sind, insofern, als wir kreativ sind. In einem weiteren Schritt sollten wir Widerstand gegen die Arbeit leisten und uns gleichzeitig weigern, die Rolle des Bürokraten zu spielen, die darin besteht, jeden Aspekt des Lebens auf kalkulierbare Werte zu reduzieren. Das bedeutet, dass wir versuchen müssen, den wahren Charakter der globalen Arbeitsmaschine zu verstehen sowie die Zusammenhänge zu erkennen, die zwischen den künstlich getrennten Lebensbereichen »Wirtschaft«, »Politik« und »Ökologie« tatsächlich existieren. Die Beziehung zwischen Öl und Geld ist dafür ein frappierendes Beispiel. Wie kommt es, dass wir Geld inzwischen behandeln, als sei es eine knappe Ressource wie Öl (»wir müssen die Sozialleistungen kürzen, weil schlicht nicht genug Geld da ist«), obwohl Geld doch im Grunde lediglich eine gesellschaftliche Beziehung darstellt und demzufolge grenzenlos vermehrbar ist? Mit Öl wiederum, das unbestreitbar eine knappe Ressource ist , wird verfahren, als sei es Geld, also
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