Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern
Autoren: M Gibert
Vom Netzwerk:
Lenz eins davon hin. Der Kommissar griff danach, stellte es aber neben sich.
    »Und jetzt will ich Ihnen mal ein paar Dinge erzählen, die Sie noch nicht wissen«, fing sie an und nahm einen großen Schluck des honigfarbenen Getränks.
    »Als ich vor zehn Jahren meinen Mann geheiratet habe, war ich ein dummes Ding vom Land aus ärmlichen Verhältnissen. Ich habe ihm zwei Kinder geboren und war ihm eine gute Frau. Leider sind wir uns in den letzten Jahren, wie soll ich sagen, etwas abhandengekommen. Irgendwann habe ich ein Verhältnis mit Herbert Roll angefangen. Bei ihm habe ich mir das geholt, was mein Mann mir nicht mehr geben konnte oder wollte. Es hatte nicht viel mit Liebe zu tun, aber es hat mir gutgetan.«
    Wieder nahm sie einen Schluck. Lenz holte tief Luft und versuchte, eine Sitzposition zu finden, in der die Schmerzen zu ertragen waren.
    »Dann fingen die beiden unter tätiger Mithilfe von Goldberg irgendwann an, im Zusammenspiel mit ihren russischen Kontakten Geld zu waschen. Und beide erzählten mir davon, natürlich jeder seine Version. Mein Mann hat bis zu seinem Tod nichts davon gewusst, dass ich ihn mit seinem Chef, Freund und Komplizen betrogen habe. Blochin war nur der Strohmann, die Ideen kamen alle von Roll.«
    Sie deutete auf die Leiche.
    »Er war der Mastermind, das Gehirn der ganzen Sache, die so lange gut ging, bis diese beiden armen Leute in Baunatal umgebracht wurden. Waldemar bekam es mit der Angst zu tun, aber Herbert und Blochin setzten ihn massiv unter Druck. Am schlimmsten allerdings war Goldberg dran, der mehrmals damit drohte, zur Polizei zu gehen und die Sache auffliegen zu lassen. Das Ergebnis kennen Sie. Blochin hat eine Söldnertruppe angeheuert für die Drecksarbeit, ich glaube, sie haben ein paar von ihnen kennengelernt. Und nun werfen Sie mir vor, ich hätte den einen gedeckt und den anderen gewähren lassen und an seinem Geld partizipiert.«
    Sie knallte das Glas auf den Tisch und kniff die Augen zusammen.
    »Recht haben Sie. Aber was hätte ich machen sollen, Ihrer Meinung nach? Zur Polizei gehen? Dann hätte ich meine Kinder niemals wiedergesehen. Ganz zu schweigen davon, dass mein Leben keinen Pfifferling mehr wert gewesen wäre. Wer sich mit solchen Leuten einlässt, kann nicht die Spielregeln bestimmen wollen. Vorhin, draußen vor der Tür, wurde mir schlagartig klar, dass ich keine weitere Chance auf ein vernünftiges Leben mehr bekommen werde. Deswegen habe ich Ihnen das Leben gerettet und mir eine hoffnungslose Flucht rund um den Globus und ein Leben ohne meine Mädchen erspart. Wenn Sie mich jetzt verhaften, egal, ob Sie mir nun eine Mitwisserschaft nachweisen können oder nicht, brauche ich mich nie mehr an der Schule meiner Kinder blicken zu lassen. Oder im Kirchenchor. Und schon gar nicht bei den ganzen Ehrenämtern, die ich begleite. Also, retten Sie Ihr Geheimnis und mein Leben.«
    Sie machte eine kurze Pause.
    »Er ist bei mir eingedrungen, wollte sich hier verstecken, und Sie haben ihn aufgespürt. Ich musste ihn erschießen, damit er Sie nicht erschießt. Das ist eine absolut glaubwürdige Geschichte.«
    Lenz schüttelte den Kopf.
    »Ich vertraue Ihnen nicht.«
    »Das müssen Sie auch nicht. Krähen müssen sich nicht trauen. Sie müssen nur eine gemeinsame Linie finden.«
    Klug, dachte der Kommissar.
    »Was war das für eine Waffe, mit der Sie geschossen haben?«
    Sie machte mit dem Kopf eine Geste in Richtung des toten Roll.
    »Seine. Mit der hat er auf Ihren Kollegen geschossen. Sie lag in der Garage, in seinem Wagen.«
    In weiter Entfernung ertönte Sirenengeheul. Hanne Frommert stand auf, griff nach dem Revolver, mit dem sie Herbert Roll erschossen hatte, und reichte dem Kommissar die Waffe.
    »Was hat der Oberbürgermeister mit der Sache zu tun?«
    Die Frau sah ihn kopfschüttelnd an.
    »Zeislinger?«, fragte sie spöttisch.
    »Ja, genau der.«
    »Gar nichts. Dieser Wichtigtuer hat Blochin in den Kram gepasst, um sich mit ihm zu schmücken, genau, wie Zeislinger sich mit Blochin geschmückt hat. Er war nie über irgendwelche Details informiert, auch wenn Sie das bedauern dürften. Und jetzt gehe ich nach oben und mache mich frisch, Herr Kommissar. Wir sehen uns später.«
     
    Lenz schloss die Augen und lauschte dem lauter werdenden Sirenengeheul. Er hatte längst seine Entscheidung getroffen, suchte allerdings noch nach einer Rechtfertigung, die ihm sein Verhalten erleichtern würde.
    Maria fiel ihm ein. Er würde es für Maria tun. Allerdings würde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher