Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kaltherzig

Titel: Kaltherzig
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
Vom Netzwerk:
bearbeitete und katalogisierte.
    Das konnte ich nicht, als ich in dieses Gesicht starrte. Ich konnte nicht unbeteiligt sein, nicht die Bilder aussperren, die in meiner Erinnerung aufblitzten und in denen sie noch lebte. Ich konnte ihre Stimme hören - anmaßend, abweisend, russisch. Ich konnte sie über den Stallhof gehen sehen - geschmeidig, träge, elegant, wie ein Gepard.
    Ihr Name war Irina Markova. Ich hatte seit mehr als einem Jahr Seite an Seite mit ihr gearbeitet.
    »Elena... Elena... Elena...«
    Ich registrierte irgendwo in den Tiefen meines Bewusstseins,
dass mich jemand ansprach, aber es klang, als käme die Stimme aus großer Entfernung.
    Eine Hand legte sich auf meine Schulter. »Elena. Alles in Ordnung?«
    Landry.
    »Nein«, sagte ich und entzog mich seiner Berührung.
    Ich rappelte mich auf und hoffte, nicht zu stürzen, als ich wegging. Doch nach wenigen Schritten gaben meine Beine unter mir nach, und ich sank auf Hände und Knie. Ich hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen, aber mein Magen hob und senkte sich, und ich würgte und kotzte.
    Panische Angst schnürte mir die Kehle zu - es war ebenso sehr die Furcht vor meinen eigenen Gefühlen wie vor dem, was ich gesehen hatte, oder weil ich argwöhnte, an meinem Erbrochenen zu ersticken. Ich wäre gern vor meinen Gefühlen weggelaufen. Ich wollte fortstürmen, durchgehen, wie es Arli vorhin getan hatte, als er mich an diesen schrecklichen Ort führte.
    »Elena.«
    Landrys Stimme war in meinem Ohr. Sein Arm legte sich um meine Schulter, bot Kraft und Sicherheit. Ich wollte das nicht von ihm. Ich wollte nichts von ihm. Ich wollte nicht, dass er mich so sah - schwach, verletzlich, ohne Beherrschung.
    Wir waren mit Unterbrechungen seit einem Jahr ein Liebespaar gewesen. Er war zu dem Schluss gekommen, dass er mehr wollte. Ich war zu dem Schluss gekommen, dass ich nichts wollte. Vor weniger als zehn Stunden hatte ich ihn mit beiden Händen von mir gestoßen, zu stark, um ihn zu brauchen - hatte ich jedenfalls behauptet. Im Augenblick fühlte ich mich nicht sehr stark.

    »Hey, ganz ruhig«, sagte er leise. »Versuch, langsam zu atmen.«
    Ich wand mich aus seiner Berührung, stand wieder auf. Ich wollte etwas sagen - ich weiß nicht, was. Die Laute, die aus meinem Mund kamen, waren keine Worte. Ich legte die Hände vors Gesicht und versuchte, mich in den Griff zu bekommen.
    »Es ist Irina«, brachte ich schließlich heraus und bemühte mich, gleichmäßig zu atmen.
    »Irina? Irina von Seans Farm?«
    »Ja.«
    »O Gott«, murmelte er. »Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Sag nichts«, flüsterte ich. »Bitte.«
    »Elena, du solltest dich setzen.«
    Er befahl einem der Deputys, die Spurensicherung anzufordern, dann schob er mich nicht zu meinem Wagen, sondern zu seinem. Ich setzte mich seitlich auf den Beifahrersitz, beugte mich vor und stützte den Kopf in die Hände.
    »Willst du etwas trinken?«
    »Ja. Wodka mit Eis.«
    »Ich habe Wasser.«
    Er gab mir eine Flasche. Ich spülte mir den Mund aus.
    »Hast du eine Zigarette?«, fragte ich, obwohl ich eigentlich keine Raucherin war. Aber ich hatte früher geraucht, und wie viele Polizisten, die ich kannte - Landry eingeschlossen -, hatte ich die üble Angewohnheit nie ganz aufgegeben.
    »Schau im Handschuhfach nach.«
    Die Zigarette gab meinen zitternden Händen etwas zu tun, sie lenkte mich ab und zwang mich, langsam zu atmen, wenn ich nicht würgen wollte.

    »Wann hast du sie zuletzt gesehen?«
    Ich nahm einen tiefen Zug und zwang beim Ausatmen den letzten Rest Luft aus meinen Lungen, als würde ich die Kerzen auf einer Geburtstagstorte ausblasen.
    »Samstag, am späten Nachmittag. Sie konnte es nicht erwarten, wegzukommen. Ich bot ihr an, die Pferde zu füttern und die abendliche Kontrollrunde zu übernehmen.«
    Im Gegensatz zu mir nahm Irina aktiv am gesellschaftlichen Leben teil. Wo sich das abspielte und mit wem, wusste ich nicht, aber ich hatte oft gesehen, wie sie beim Verlassen ihres Appartements über den Ställen in einer Weise angezogen war, die Unheil herausforderte.
    »Wohin ist sie gegangen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wohin könnte sie gegangen sein?«
    Ich hatte nicht die Kraft zu einem Achselzucken. »Vielleicht ins Players oder ins Galipette. Vielleicht in die Clubs in der Clematis Street.«
    »Kennst du ihre Freunde?«
    »Nein. Ich denke, es waren hauptsächlich andere Pferdepflegerinnen. Andere Russinnen.«
    »Gab es einen Freund?«
    »Wenn es einen gab, brachte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher