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Kaltherzig

Titel: Kaltherzig
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
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glaubt. Ich glaubte damals an gar nichts.
    Ich hatte auf eine Anzeige in Sidelines geantwortet, einem Magazin für die lokale Reiterszene. Pferdepflegerin gesucht . Die Person, die suchte, stellte sich als Sean Avadon heraus.
    Sean und ich hatten uns gekannt, als ich noch Tochter war, Eltern hatte und auf der Insel wohnte - dem eigentlichen Palm Beach. Ich war voller Rebellion und Teenagerängste, und Pferde waren der Ausweg aus meinem ansonsten verdorbenen, privilegierten und leeren Leben. Sean, älter
und wilder als ich, war ein paar Villen weiter aufgewachsen. Wir waren Freunde gewesen, ein seltsames Paar, Geschwister beinahe, nur nicht verwandt. Sean war die Prise Humor in meinem Leben - und mein selbst ernannter Modeberater. Was er von der ganzen Sache hatte, wurde mir nie recht klar.
    Als Sean in mein Leben zurückkam - oder ich in seines -, war ich gerade an einem sehr dunklen Ort gewesen, ich war voller Zorn, Selbsthass und Suizidfantasien. Die vergangenen zwei Jahre hatte ich zum Teil in Krankenhäusern verbracht, wo die Ärzte mich wieder zusammenzuflicken versuchten. An dem Tag, an dem Hector Ramirez statt meiner getötet wurde, geriet ich unter die Räder eines allradgetriebenen Drogenhändler-Trucks und wurde die Straße entlanggeschleift. Der Asphalt brach mir Knochen und riss mir Haut und Gewebe vom Körper. Es wollte mir nicht in den Kopf, dass ich nicht gestorben war, und ich bestrafte mich jeden Tag in den beiden folgenden Jahren dafür.
    Sean hatte den Job als Pferdepflegerin und die dazugehörige Wohnung an Irina vergeben. Mich hatte er aufgenommen wie ein verletztes Vögelchen und in seinem Gästehaus untergebracht. Als ich kräftig genug wirkte, beschäftigte er mich, indem er mich seine Pferde reiten ließ; er wusste wohl, dass die Pferde mir eine größere Hilfe waren, als ich ihnen je sein konnte.
    Irinas Appartement lag über der plüschigen, clubartigen Lounge in Seans Scheune. Ich ging nun in die Lounge, hinter die Bar, nahm eine Flasche Wodka aus dem Eisschrank und goss etwas davon in ein schweres Kristallglas. Dann schaute ich, an die Bar gelehnt, durch den Raum, als wäre er
eine leere Bühne, und erinnerte mich an eine Unterhaltung, die ich vor einem Jahr mit Irina hier gehabt hatte.
    Sie hatte soeben einem belgischen Pferdehändler ein Hufeisen an den Kopf geworfen, der Sean einen Besuch abstattete, weil er ihn überreden wollte, sich von einer beträchtlichen Geldsumme zu trennen. Sie hätte den Mann auf der Stelle getötet, wenn sie gekonnt hätte. Ihre Wut war mit Händen zu greifen gewesen, sie war riesengroß, heiß und bitter. Sie hatte sich auf ihn gestürzt und ihn mit den Fäusten bearbeitet, bis Sean sie an einem Arm und dem blonden Pferdeschwanz gepackt und fortgezogen hatte.
    Ich hatte sie in die Lounge gebracht, während Sean den Belgier zu beruhigen versuchte. Sie hatte mir die Geschichte von einer Freundin aus Russland erzählt, die für den Händler gearbeitet hatte und von ihm ausgenutzt und missbraucht worden war. Am Ende hatte sich das Mädchen umgebracht. Irina hatte es rächen wollen. Ich bewunderte sie dafür. In meinem Leben hatte es nie einen Menschen gegeben, für den ich so starke Gefühle hegte, dass ich Rache in seinem Namen hätte üben wollen.
    Sie war voller Leidenschaft gewesen. Hatte das Herz einer Tigerin. Ich fragte mich, ob sie um ihr eigenes Leben ebenso heftig gekämpft hatte. Versteckte sich irgendwo ein Mörder, dessen Gesicht von Fingernägeln zerkratzt war, dem ein Auge fehlte, der nicht mehr gerade gehen konnte? Ich hoffte es.
    Ich erhob mein Wodkaglas auf sie und trank es leer.
    Dann streifte ich ein Paar dünne, eng sitzende Reithandschuhe über und stieg die Treppe zu Irinas Appartement hinauf. Falls mich Landry erwischen würde bei dem, was ich vorhatte, wäre der Teufel los. Aber natürlich hatte mich
der Gedanke an negative Auswirkungen in meinem ganzen Leben noch nie von etwas abgehalten.
    Als ein Mensch, der gern für sich blieb, hatte Irina die Tür immer abgeschlossen, aber ich wusste, wo der Schlüssel lag. Die Gewalt, die man ihr angetan hatte, war nicht hier in der Wohnung passiert. Sie sah bewohnt aus, aber nicht auf den Kopf gestellt. Eine einzelne Kaffeetasse stand in der Spüle. Die neuesten Modemagazine lagen auf dem Kaffeetisch.
    Sie hatte ihr Make-up auf der Badezimmerablage liegen gelassen. Mir fiel wieder ein, dass sie es am Samstag kaum hatte erwarten können, bis sie wegkam. Sie war allein fortgeeilt, umwerfend
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