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Kaltherzig

Titel: Kaltherzig
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
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es tat so weh, dass ich es nur kurz aus dem geheimsten Winkel meines Herzens holen konnte, um einen Blick von der Seite darauf zu werfen, ehe ich es wieder sicher verstauen musste.
    Lisbeth war das Kind gewesen, das ich nie war, und sie hatte das Herz, das ich vor langer Zeit sorgsam zu hüten gelernt hatte, offen sichtbar getragen. Und vielleicht, weil ich nie um den Verlust dieses Kindes in mir hatte trauern dürfen, ging mir ihr Tod näher als alle anderen. Er verwundete mich an einer Stelle so tief in mir, dass ich nie gedacht hätte, irgendetwas oder irgendwer könnte sie je erreichen.
    Es gefiel mir nicht, mich geirrt zu haben.
    Ich rief Lisbeths Eltern in Michigan an und erfand eine Geschichte vom tragischen Unfalltod ihrer liebenswerten Tochter. Sie mussten nicht erfahren, wie tragisch Lisbeths Leben in den Wochen vor ihrem Tod verlaufen war. Manche Wahrheiten sind zu grausam. Ich behielt Lisbeths für sie unter Verschluss.
    Es dauerte Wochen, bis der Rummel um die Schießerei in Alexi Kulaks Autoverwertung abebbte. Es war etwas, das man einfach aushalten musste, wie einen Mückenstich.
    Ich gab keine Interviews, erklärte nichts. Ich schlug ein Angebot für einen Fernsehfilm aus. Ich nahm mir einen Tag frei und ließ ein Boot ohne Löcher darin an Billy Quint liefern.
    Als ich auf die Farm zurückkam, wartete Barbaro auf mich.

    »Ich muss mich für vieles entschuldigen«, sagte er und hielt mir die Wagentür auf.
    »Nicht bei mir«, sagte ich. »Letzten Endes haben Sie das Richtige getan.«
    »Zu wenig, zu spät.«
    Ich sagte nichts dazu.
    »Wie geht es Ihnen, Elena?«, fragte er. Er schaute nicht auf meinen Arm in der Schlinge. Das meinte er nicht.
    Ich zuckte mit den Achseln. »Ich habe nichts erfahren, was ich nicht schon wusste«, sagte ich. »Das ist der Vorteil, wenn einen das Leben hart hergenommen und zynisch gemacht hat. Man ist nicht mehr so leicht schockiert oder enttäuscht.«
    »Das tut mir leid für Sie«, sagte er. »Und es tut mir leid, dass wir uns nicht zu einer anderen Zeit, unter anderen Umständen kennenlernen konnten.«
    »Soviel ich weiß, haben wir nur diese eine Zeit«, sagte ich. »Und es bleibt uns nichts übrig, als das Blatt zu spielen, das man uns gegeben hat.«
    Er nickte seufzend und wandte den Blick ab. »Ich gehe für eine Weile nach Spanien zurück«, sagte er.
    »Und die Polo-Saison?«
    »Es wird eine neue geben. Ich wollte nur Lebwohl sagen. Und Ihnen danken.«
    »Wofür?«
    Er lächelte müde und traurig und legte eine Hand an meine Wange. Es war sicher eine sanfte Berührung, auch wenn ich sie nicht spüren konnte.
    »Dafür, dass Sie sind, was Sie sind«, sagte er. »Und weil Sie mir geholfen haben zu sehen, wozu ich geworden war.«

    Die Sonne ging flammend rot und orangefarben am westlichen Horizont unter, als Landry später vorbeikam.
    Ich stand neben der Koppel von Seans hübscher Stute Coco Chanel. Sie graste so vornehm, als würde sie Gurken-Sandwichs auf einem Gartenfest verspeisen.
    Landry spazierte herüber und blieb neben mir stehen. Wir beobachteten das Pferd eine Weile.
    »Wie geht es dir?«, fragte er.
    »Ich hatte schon bessere Tage«, sagte ich. »Aber auch schlimmere.«
    »Dein Vater hat heute eine Pressekonferenz gegeben. Hast du sie gesehen?«
    »Meine Einladung dazu muss bei der Post verloren gegangen sein.«
    »Er versucht, der Russenmafia die ganze Sache anzuhängen. Seinen Ausführungen nach gehörte Irina zu einem ausgeklügelten Plan, um Alexi Kulak eine Verbindung mit den Walkers zu verschaffen.«
    »Deshalb verdient er so viel Geld. Vielleicht sollte sich die Filmindustrie seine Dienste sichern.«
    »Es tut mir leid für dich, dass du in diese Geschichte geraten musstest«, sagte Landry.
    »Mir tut jeder von uns leid, der damit zu tun hatte.«
    »Ja.«
    »Ich bedauere, dass er mein Vater sein muss, Punkt. Und jetzt lass uns nicht mehr von ihm sprechen«, schlug ich vor. »Er verdirbt uns nur den hübschen Sonnenuntergang.«
    Er nickte und legte mir den Arm um die Schulter. Es tat gut, dass er mich berührte, dass er hier war; es war gut zu wissen, dass er trotz seiner rauen Seiten immer für mich
da sein würde, wenn es darauf ankam. Ich fand, von den Lektionen, die ich im Lauf dieser Woche gelernt hatte, war das die wichtigste.
    Ich überlegte, ob ich ihn fragen sollte, was mit den verbliebenen Mitgliedern des Alibi-Clubs geschehen würde, aber ich kannte die Antwort ohnehin: Nichts. Nichts würde Jim Brody oder einem der anderen
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