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Kaltherzig

Titel: Kaltherzig
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
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Bennett Walkers linken Zeigefinger am Knöchel ab.
    Heißer Schweiß brach mir aus allen Poren. Die Schreie waren grässlich. Ich schloss kurz die Augen, öffnete sie aber wieder, um das Schwindelgefühl einzudämmen.
    Bennett schluchzte. Blut lief aus dem Stumpf seines Fingers.
    Mit der Schuhspitze kickte Kulak das abgetrennte Glied in den Abfluss. Er entfernte sich ein Stück, zündete sich
eine neue Zigarette an, rauchte sie halb herunter. Dann schlenderte er zurück zu Bennett, ging in die Hocke und drückte das rot glühende Ende seiner Kippe auf Bennetts verstümmelten Finger, um die Wunde zu kauterisieren.
    Bennett schrie. Das Geräusch fuhr mir in den Leib wie eine Rasierklinge.
    »Warum haben Sie meine Irina getötet?«, fragte Kulak leise.
    »Ich weiß es nicht«, wimmerte Bennett.
    »Sie wissen es nicht?«
    »Ich erinnere mich nicht.«
    »Sie haben dieses wundervolle Mädchen getötet«, sagte Kulak, »und es hat Ihnen so wenig bedeutet, dass Sie nicht einmal mehr wissen, wieso?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Kulak schaute auf das Ende seiner Zigarette, dann beugte er sich beiläufig vor, drückte die rote Glut in die dünne Haut auf der Innenseite von Bennetts Handgelenk und hielt sie dort.
    Bennetts Körper zuckte wild, wie in Krämpfen. Seine Schreie kamen aus einer so ursprünglichen Tiefe, dass sie nichts Menschliches an sich hatten.
    Ich versuchte wegzuschauen, aber es gelang mir nicht vollständig. Wenn ich die Augen schloss, wurde mir sofort schwindlig und schlecht. Es war wichtig, dass ich nicht schwach wirkte.
    Der Gestank warmer Fäkalien erfüllte die Luft, und ich bemühte mich, nicht zu würgen.
    Kulak wartete, bis die Schreie erstarben und sein Opfer still in seinem eigenen Unrat lag.
    »Ich habe sie geliebt«, sagte er dann. »Ich hätte alles für
sie getan. Ich werde alles für sie tun. Warum sollte Irina Sie haben wollen, Mr. Walker? Sie sind schwach. Sie sind kein Mann für eine Frau wie Irina. Sie hätte sie vorgeführt wie ein Zirkuspony. Ist das der Grund, warum Sie sie getötet haben?«
    Bennett schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Weil Sie zu stark für Sie war?«
    »Nein.«
    »Warum dann?«, fragte er, als würde er ein liebes kleines Kind fragen. »Warum haben Sie sie getötet?«
    »Ich... ich muss wütend geworden sein.«
    »Ja.«
    »Sie hat mich wütend gemacht.«
    »Ja. Und deshalb haben Sie sie getötet.«
    »Ich schwöre bei Gott«, wimmerte Bennett, »ich erinnere mich nicht daran, dass ich sie getötet habe. Ich erinnere mich an gar nichts. Ich muss einen Blackout gehabt haben.«
    Kulak deutete auf den Stumpf von Bennetts Zeigefinger. »Das tut ziemlich weh, nicht wahr?«
    Bennett nickte. Er lag flach mit dem Bauch auf dem Boden, das Gesicht gegen den Beton gedrückt.
    »Dann lassen Sie mich Ihre Gedanken von diesem Schmerz ablenken«, sagte Kulak.
    Er stand auf, nahm den Bolzenschneider und kappte die Hälfte des Mittelfingers daneben.
    Ich hätte mir gern die Finger in die Ohren gesteckt, um die Schreie auszublenden, aber ich konnte meinen verletzten Arm nicht so weit abbiegen. Ich wollte mich übergeben. Ich wollte schreien. Panik schwoll wie ein Ballon in mir an.

    Kulak stand da und sah zu, wie Bennett weinte, wie das Blut von seiner verstümmelten Hand lief und in den Abfluss im Boden tropfte.
    »Es tut mir leid!«, schrie Bennett. »Es tut mir so leid! Ich weiß nicht, was passiert ist!«
    Ich hörte ihm zu. Ich sah ihn dort liegen. Viele Male in meinem Leben hatte ich mir gesagt, dass keine Strafe auf dieser Erde zu schwer für ihn wäre. Aber alles, was ich in diesem Moment denken konnte, war, dass er es nicht war.
    Bennett Walker war ein Schläger, aber er war auch das, was ihn Alexi Kulak genannt hatte: schwach. Es war ausgeschlossen, dass er aushielt, was Kulak ihm antat, ohne zu reden. Das hatte er nicht drauf.
    »Sie wissen nicht, was passiert ist«, sagte Kulak. Dann drehte er sich zu mir um und sah mich an.
    »Wenn Sie es nicht wissen«, sagte er, »dann kann es uns ja vielleicht Ihre Freundin sagen.«

62
    Landry parkte auf der Straße, fünfzig Meter von der Einfahrt zu Sean Avadons Farm entfernt.
    Das Haupthaus war dunkel.
    In Elenas Häuschen war ein Licht zu sehen. Ihr Wagen stand vor dem Gebäude. Die Haustür war nur angelehnt.
    Er zog seine Waffe und ging zur Seite des Hauses.
    Die Terrassentür stand offen.
    Landry schlüpfte ins Haus. Das einzige Licht brannte im
Wohnzimmer. Nichts lief, kein Fernseher, kein Jazzgedudel aus der Stereoanlage.
    Mit
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