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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition)
Autoren: Rona Walter
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Welt.
    Aber diesen Club hier kann sich nahezu jeder leisten. Sogar der kleine Grath und ich. Sohnemann hat nichts Branchenverwandtes gelernt, setzt sich trotzdem unter dem Spott der Mitarbeiter in das gemachte Nest. Im Club hat das seine Vorteile, denn da hat er meist einen Tisch ganz für sich allein.
    Er mag mich ebenso wenig wie ich ihn, da er der Ansicht ist, beziehungsweise die Ansicht seines alten Herrn ohne Sinn und vor allem Verstand nachplappert, Bestatter würden die Leuten ausnehmen, um aus dem Tod der geliebten Menschen möglichst viel Profit zu schlagen. Es steht wohl kaum zur Debatte, dass wir das lediglich bedingt tun, denn was bleibt nach Abzug der Kosten für Blumen, Sarg oder Urne und Totenzettel noch großartig übrig? Daher bin ich für ihn so eine Art Untermensch, den man nach Belieben vorführen kann. Dumm nur, wenn man selbst nicht der leuchtendste Stern am Himmel ist. Großspurig versucht er seine eher durchschnittliche Körpergröße durch stümperhaftes Recken der meinen anzupassen. Er hebt das Kinn mit dem gestutzten Kinnbart, der ebenso kurz gehalten wird, wie sein Haupthaar. Von meiner Perspektive aus wird unverkennbar seine drohende Kahlheit sichtbar. Amüsiert nicke ich ihm zur Begrüßung zu.
    »Ich habe gestern Rhona gesehen. Sie war mit dem Kleinen im Park.«
    Er nimmt geziert eine kleine Brille ohne Dioptrien ab, besudelt damit den Stoff seiner Weste. Ich nicke leise lächelnd. Mit solchen Geschichten über meine ehemalige Freundin kann er mir gern den Schuh putzen.
    »Sie war mit so einem Typen da. Du kennst ihn. Ein ganz imposanter Bursche. Blondes langes Haar, Drachenflügel auf den Rücken tätowiert; ist öfter beim Boxen in der alten Fabrik.«
    Ich lehne mich zurück. »Kenne ich. Hat mir dort letzte Woche die Mimik aufpoliert.«
    Patrick Grath schlägt sich auf die Schenkel. »Ja richtig! Wusste ich doch, dass du ihn schon mal gesehen hast. Mensch, was für ein Kerl, was?«
    Ich fixiere ihn süffisant von oben herab. Er sollte dringend Schauspielunterricht nehmen, um wenigstens ein Minimum an Glaubwürdigkeit zu verdienen. Zuerst bin ich geneigt eine zickige Bemerkung fallen zu lassen wie etwa ‚Sie hatte es ja schon immer gern ein wenig härter‘ , doch entscheide mich dann kurzfristig, diplomatisch zu bleiben.
    »Dann paart sich wohl erfolgreich Oberflächlichkeit mit Grobmotorik«, erwidere ich stattdessen und nehme das Wechselgeld von Lilian entgegen.
    Ich wende ihm den Rücken zu und nehme Mantel und Hut an mich. Lilian bekommt von mir den traditionellen Kuss auf die Wange. Wir werden uns nicht wiedersehen. Zum Abschied möchte ich an Grath noch die harte Linke von Rhonas Neuem statuieren, entscheide mich stattdessen jedoch für die brutalere Form der öffentlichen Diskriminierung; ich lasse ihn vor den sensationslüsternen Argusaugen aller Anwesenden grußlos stehen.
    Schäumend vor Wut erkenne ich, dass die talentlose Kröte Grath erreicht hat, was er beabsichtigt. Die eiternde Wunde in meinem Ego ist erneut aufgebrochen. Ich sinke mit geschlossenen Augen gegen eine Mauer. Das Kastanienbraun der Blätter ruft in mir schmerzhaft das Bild von wippenden Locken wach, einem weichen, weiblichen Körper, strahlenden Augen.
    Ich versuche den Geist meiner Ex-Freundin zu vertreiben, ehe er sich ganz ausbreiten kann. Ihre vollen Lippen, die feine, scharf geschnittene Nase. In meiner Welt lächelt sie mich noch immer an. Mittlerweile zerfleische ich mich nicht mehr selbst, dass ich sie verlassen habe. Immerhin kann ich nicht für ein Kind aufkommen, das unmöglich von mir sein kann. Ich habe viele Monate in Cambridge verbracht. Dort fand vor einem Jahr ein zweiwöchiges Seminar statt, zur Weiterentwicklung der Balsamierungsessenzen für zarte Haut auch nach dem Tod. Gezwungenermaßen nahm ich teil, um zu Hause von ihrer Schwangerschaft zu erfahren. Dass sie die letzten fünf Wochen vor meiner Abfahrt zu Hause in Dublin verbracht hatte, schien sie zu dem Zeitpunkt vergessen zu haben. Ich schickte ihr ihre Sachen und brach den Kontakt ab. Viele Wochen waren nötig, um über die Enttäuschung hinweg zu kommen. Den Ring verzockte ich im ›Apple‹ bei einem miesen Spiel, da der Umtausch von reduzierter Ware ausgeschlossen ist.
    Unglücklicherweise musste Rhona nicht lang im Hotel wohnen. Nur drei Tage nach unserer Trennung zog sie bei ihm ein und er brach mir bei einem recht baldigen Boxkampf den Wangenknochen. Ich reibe mit den Händen über mein Gesicht und schreie vor Schmerz
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