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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
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Regalauffüllerin würde ich nichts erfahren. Nur eines interessierte mich noch: »Wie lange sind Sie schon in Österreich?«
    »Das ist alles in Ordnung, da brauchen Sie nicht fragen. Ich bin schon mit neun Jahren gekommen, nächstes Jahr bin ich schon zehn Jahre da.«
    »Sind Sie mit Ihrer Arbeit zufrieden?«
    »Ja, bin ich. So viel Arbeit gibt es nämlich nicht, wissen Sie. Man wird schnell arbeitslos, und dann ist man ein Schmarotzer-Tschusch. Nein, wissen Sie nicht.« Sie warf zornig einen leeren Karton zur Seite und zog sich einen, der mit Himbeerjoghurt gefüllt war, her.
    Ich sah mich nach einem neuen Opfer um. Bei der Theke mit dem Frischfleisch standen zwei Verkäuferinnen, die ich nicht kannte. Aber mit einer der Wurstverkäuferinnen hatte ich schon öfter geplaudert. Zwar hatten sich unsere Themen bisher auf die Vorzüge von Beinschinken gegenüber Pressschinken und auf die Geschmacksvielfalt italienischer Salamis beschränkt, aber das konnte ja anders werden. Sie stand mit drei ihrer Kolleginnen hinter der langen Glasvitrine und bediente. Hundert Gramm Käsewurst, hundertfünfzig Gramm Polnische. Ich stellte mich an und hatte das Glück, dass sie frei war, als ich an die Reihe kam. Ich ließ mir zweihundert Gramm vom Bioschinken einpacken. »Haben Sie drei Minuten Zeit für mich?«, fragte ich.
    Sie sah mich freundlich, aber misstrauisch an. »War etwas nicht in Ordnung?«
    »Nein, alles bestens, ich möchte Sie nur gerne etwas fragen.« Sie runzelte die Stirn und wusste sichtlich nicht, wie sie mit meiner Bitte umgehen sollte. Schließlich streifte sie die Plastikhandschuhe ab, deutete hinüber zur Käsevitrine und sagte: »Kommen Sie.«
    »Ich bin Journalistin.«
    »Ich weiß.«
    »Woher …?«
    »Manches kriegt man eben mit. Sie machen die Berichte über Prominente, und irgendwann war da auch so ein Skandal …«
    »Jetzt arbeite ich an einer Reportage über Supermärkte.«
    »Du liebe Güte.«
    »Haben Sie die Sache mit Karin Frastanz, der roten Karin, mitbekommen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie ist wie ich eine der wenigen, die schon seit der Eröffnung hier arbeiten. Sie ist in Ordnung, auch wenn sie manchmal den Mund zu weit aufreißt und herummacht. Manche sagen, sie muss halt immer im Mittelpunkt stehen. Aber als das passiert ist, war ich nicht da. Da hatte ich Vormittagsschicht. Und außerdem: Mit Medien dürfen wir nicht reden, nicht einmal der Filialleiter darf das. Dafür haben sie in der Zentrale ein eigenes Medienbüro.«
    »Mir geht es nur um Hintergrundinformationen.«
    »So war das auch, als vor zwei Jahren jemand von einer Konsumentenschutzzeitung gekommen ist. Der Filialleiter hat ihn über alle möglichen Hygienevorschriften und Auflagen informiert und ist dann vom Regionaldirektor vor allen Leuten zusammengebrüllt worden, wie der Artikel erschienen ist.«
    »War das dieser … Sascha Heller?«
    »Nein, den gibt es erst seit rund einem Jahr. Aber er ist auch um nichts besser. Gut, der andere hat getrunken, aber Heller muss dafür ununterbrochen beweisen, dass er der Chef ist. Wahrscheinlich, weil er noch so jung ist, und der Größte ist er ja auch gerade nicht. Er kann einen schon ziemlich ärgern. Aber ich wohne bloß drei Straßen weiter, es ist für mich ziemlich bequem, hier zu arbeiten. Und jetzt – bitte verstehen Sie – muss ich zurück. Meine Kolleginnen werden sich eh schon fragen, was ich da mit Ihnen so lange berede. Wenn sie sich zusammenreimen, dass wir über die Sache mit Karin gesprochen haben …«
    »Aber die werden wohl nichts weitererzählen.«
    Die Wurstverkäuferin lachte auf. »In drei Monaten wird die Abteilungsleitung Feinkost neu besetzt. Drei von uns haben sich beworben. Da geht es jede gegen jede.«
    Eine Stunde später schwor ich mir, mich bei Supermärkten ab nun wieder ausschließlich für das Warenangebot zu interessieren. Ich war durch eine der Türen mit Plastiklamellen in die Lagerhalle geschlüpft, sofort entdeckt und wieder in die Verkaufsräume expediert worden. Niemand konnte oder wollte mir etwas über den Überfall erzählen, keine schien etwas von dem Unfall im Lager bemerkt zu haben. Die meisten schienen mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein. Die rote Karin war fast allen sympathisch, ihre Gewerkschaftsideen aber hielten viele für kontraproduktiv, zumindest aber für sinnlos. Es lief eben nicht anders als bei uns in der Redaktion auch: Letztlich wollte man es sich mit den Chefs, und seien es auch bloß ganz kleine Chefchen, nicht
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