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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
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Was haben Sie so lange gemacht? So lange?«
    »3042,75 Euro müssten in der Kasse sein«, sagte die Chefkassiererin, »kein besonders starker Tag.«
    Feinfurter drückte hektisch die Tasten seines Mobiltelefons. Der dünne, beinahe farblose Schnurrbart zitterte.
    »Ist dir etwas passiert?«, fragte die rote Karin erst jetzt.
    Grete schüttelte langsam, so als ob sie erst selbst darüber nachdenken müsste, den Kopf.
    Eine weitere Viertelstunde warteten sie auf Regionaldirektor Heller. »Vorerst keine Polizei«, hatte er befohlen. Grete saß wieder auf dem Drehstuhl hinter der Kasse, die anderen standen um sie herum und diskutierten, wie sie sich verhalten hätten. »Die Waffe war sicher nicht echt«, meinte die eine, die erst seit einigen Wochen in der Filiale arbeitete. »Ich hätte sie ihm aus der Hand geschlagen.«
    »Wir brauchen einen Notrufknopf, genau so einen wie in der Bank«, befand die Kollegin mit den kurzen grauen Haaren, die bis vor einiger Zeit noch als Kellnerin gejobbt hatte.
    Grete sagte nichts. Ihr war schlecht.
    »Du musst doch noch irgendetwas bemerkt haben«, insistierte die rote Karin.
    Grete schüttelte den Kopf. Dann murmelte sie halblaut: »Ich glaube, er hat seine Stimme verstellt. Aber vielleicht hat das auch nur der Rollkragen über dem Mund gemacht.«
    Alle hoben den Kopf. Ein schwarzer Porsche war mit quietschenden Reifen stehen geblieben. Die Autotür fiel mit dem elegant-dunklen »Plopp« teurer Autos ins Schloss. Mit energischen Schritten kam Heller auf die Glasfront zu. Er klopfte gegen die Scheibe. Feinfurter rannte hin.
    »Dass jemand im Rennen buckeln kann«, sagte die rote Karin laut genug, dass Feinfurter es hören konnte.
    Die anderen grinsten.
    Feinfurter hielt Heller die Tür auf.
    »Warum haben Sie nicht abgeschlossen, was ist das für eine Sauerei?«, empörte sich Heller. Auf seiner beigen Freizeitjacke war deutlich das Label »Cerruti« zu sehen.
    »Wicht«, murmelte die rote Karin.
    Tatsächlich war Hellers Gestalt gegen die von Karin wenig eindrucksvoll. Sie: einen Meter achtzig groß, hundertfünf Kilo, leuchtend rot gefärbte Haare, Anfang fünfzig. Er: knapp eins siebzig, schmächtig, sechsundzwanzig Jahre alt. Aber er war ihr Chef. Er war genau genommen sogar der Chef ihres Chefs.
    Mit seinen genagelten Schuhen kam er auf Grete zu. Sie starrte ihn angsterfüllt an.
    »Was muss ich hören? Was war hier los?« Sein Auftritt wirkte seltsam unecht, Bühnengehabe.
    Feinfurter sprang ein und erzählte.
    »Und wer sagt, dass ihre Geschichte stimmt?«, fragte Heller.
    »Was glauben Sie denn?«, fuhr die rote Karin empört dazwischen. »Dass sie sich selbst eine Pistole an den Kopf gehalten hat?« Sie drehte Gretes Kopf so, dass Heller den Hals sehen konnte. »Da hat er ihr die Pistole hineingedrückt.«
    Grete nickte erschöpft. Sie wollte nur weg. Heim.
    »Keine Polizei. Was geschehen ist, ist geschehen. Alles andere wirbelt nur unnötigen Staub auf. Ultrakauf kann solche Schlagzeilen nicht brauchen. Ultrakauf wird ausnahmsweise für den Fehlbetrag aufkommen.«
    »Das wär ja auch noch schöner, wenn nicht«, meinte die rote Karin.
    »Warum sind Sie eigentlich überall dabei, wo es Ärger gibt?«, fauchte Heller mit zusammengekniffenen Augen.
    Sie straffte sich, sah auf ihn herunter und sagte: »Wahrscheinlich liegt das am Ärger.«
    Einen Moment lang war Heller irritiert, dann befahl er: »Und damit klar ist: Je weniger darüber geredet wird, desto besser. Zeit, heimzugehen. Ihre Arbeitszeit hat vor …«, er schob den Ärmel seiner Freizeitjacke nach oben und ließ eine Calvin-Klein-Uhr sehen, »… vor fünfunddreißig Minuten geendet.«
    »Wenn das Freizeit ist, jemandem nach einem Überfall zu helfen«, gab Karin zurück.
    »Hatten Sie eine dienstliche Anweisung, länger zu bleiben?«
    »Und was ist mit Grete Berger?«
    »Sie soll froh sein, dass wir den Schaden übernehmen.« Damit ging er.
    Grete saß da wie eine lebensgroße Puppe, und genau so fühlte sie sich. Wie aus massivem, hartem rosa Plastik. Sie nahm nicht wahr, was die rote Karin hinter Regionaldirektor Heller herschimpfte. Sie nahm nicht wahr, dass Filialleiter Feinfurter die letzten zehn Minuten stumm in einer Ecke gestanden hatte. Sie bemerkte auch nicht, wie sich ihre drei Kolleginnen anstießen und auf die Uhr deuteten.

2.
    Ich habe davon erst ein paar Wochen später erfahren. Es war ein Donnerstag, und ich hatte es geschafft, noch knapp vor Geschäftsschluss in den Ultrakauf zu hetzen. Milch,
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