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Kalter Tod

Kalter Tod

Titel: Kalter Tod
Autoren: Michael Connelly
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Drehbuch auf ihn machte, der als Sohn und Enkel von Bauunternehmern eigentlich in die (groß)väterlichen Fußstapfen treten sollte und deshalb am College in Gainesville, Florida, Baukonstruktionslehre und Bautechnik (»Einführung in den Beton«) studierte. An zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Abenden sah er 1974 Elliot Gould als Philip Marlowe, einen Tag später kaufte er sich Chandlers Buch, und als er es las, wurde ihm plötzlich klar, was er wollte: »I wanted to write stories and characters like this.« Die Lektüre von Chandlers Romanen, die er in der folgenden Woche alle las, hat in mehrfacher Hinsicht Spuren in Connellys Werk hinterlassen, aber nicht in erzähltechnischer. Während Chandler Marlowe in allen sieben Romanen aus der Ich-Perspektive erzählen lässt, wartet Connelly damit bis zu LETZTE WARNUNG, bevor er Harry Bosch, der mittlerweile nicht mehr beim LAPD, sondern Privatdetektiv ist, diese Perspektive einräumt. THE NARROWS schließlich, DIE RÜCKKEHR DES POETEN, wird nur knapp zur Hälfte von Bosch erzählt, und den Rest der Geschichte erfährt man aus der Perspektive der FBI-Agentin Rachel Walling und des Cop-Killers Bob Backus.
    Das Selbstbewusstsein des Autors zeigt sich nicht nur in den ersten Sätzen seines ersten Romans, sondern auch in dessen Konstruktion, die tragfähiger ist als armierter Beton. Das liegt nicht nur an der Hauptfigur, einem Mann mit bewegter Vergangenheit, auf die in den folgenden Romanen oft zurückgegriffen wird – DIE FRAU IM BETON etwa setzt mit der grotesken Episode ein, die für seine Strafversetzung nach Hollywood verantwortlich ist, die Erschießung des unter dem Kopfkissen nach seinem Toupet greifenden nackten Serienmörders, und DER LETZTE COYOTE ist der Aufklärung des Mordes an seiner Mutter gewidmet, der sich mehr als dreißig Jahre zuvor ereignet hat –, sondern auch am übrigen Personal, das vom Autor geschickt in den Mikrokosmos eines fiktiven Abbilds von Los Angeles (und Las Vegas) eingebunden wird. Eleanor Wish, die FBI-Agentin, mit der Bosch in SCHWARZES ECHO zusammenarbeitet, heiratet er am Ende des fünften Romans, DAS COMEBACK, nachdem sie ihre Gefängnisstrafe verbüßt hat. Im sechsten und siebten Roman lebt er bereits von ihr getrennt und im neunten erfährt er, dass er eine inzwischen vierjährige Tochter von, aber im Grunde nicht mit ihr hat. Es gibt auch personelle Überschneidungen zwischen den Bosch- und den Nicht-Bosch-Romanen. Thelma Kibble beispielsweise, die übergewichtige resolute Bewährungshelferin von Cassie Black aus IM SCHATTEN DES MONDES, taucht sowohl in DUNKLER ALS DIE NACHT als auch in VERGESSENE STIMMEN wieder auf, wo Bosch und Rider auf eine ihrer Akten zurückgreifen müssen. Anhand eines Fotos in Thelmas Büro identifiziert Bosch seine geheimnisvolle Nachbarin Jane aus dem Double X in Las Vegas aus DIE RÜCKKEHR DES POETEN als Cassie Black, und im Gegensatz zu ihm wird den Lesern des früheren Romans klar, warum sie von Wehmut ergriffen wurde, als sie Bosch mit seiner Tochter sah. Die größte und am längsten vorbereitete Überraschung allerdings, die Connelly in dieser Hinsicht aus dem Ärmel zieht, ist die Blutsverwandtschaft zwischen dem Lincoln Lawyer Mickey Haller und Harry Bosch, die beide denselben Vater haben: In SCHWARZES EIS denkt Bosch an seinen Besuch am Sterbebett J. Michael Hallers zurück, den er bei dieser Gelegenheit zum ersten und zugleich letzten Mal sieht – eine bewegende Begegnung.
    SCHWARZES EIS ist auch der Roman, in dem Connelly seine Verpflichtung Chandler (und Brackett) gegenüber am deutlichsten offenlegt. Der Plot hat einige Elemente mit dem von DER LANGE ABSCHIED, dem Roman und dem Film (der in einigen wichtigen Punkten von Chandlers Vorlage abweicht), gemeinsam, und die Frau von Harrys Kollegen Calexico Moore, der er zu Beginn des Buchs die Nachricht vom Tod ihres Mannes überbringen soll, die Englischlehrerin Sylvia Moore, konfrontiert ihn mit zwei Zitaten aus DER LANGE ABSCHIED, mit dem ersten gegen Ende ihrer ersten Begegnung: »Keine Falle ist so tödlich wie die, die wir uns selbst stellen.« Bei Chandler ist es der letzte Satz des zwölften Kapitels, ein metaphorisches Resümee Philip Marlowes, der sich im Nachhinein den (natürlich nicht ganz ernst gemeinten) Vorwurf macht, moralisch gehandelt zu haben, und tatsächlich könnte dieser Satz so gut wie allen Romanen Connellys als Motto dienen. Als Bosch am nächsten Tag mit der vermeintlichen Witwe telefoniert, fragt sie ihn:
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