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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok
Autoren: David L. Lindsay
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Empfang, setzte sich an den zweiten Schreibtisch und überprüfte den Inhalt anhand der Liste für die Proben, die bei einer Autopsie des Morddezernats nötig waren. Dann spannte er ein Formblatt in die Schreibmaschine und begann es auszufüllen.
    »Wir erhielten einen kurzen Bericht über die Frau, bevor wir hierhergekommen sind«, sagte Haydon und trat einen Schritt von Hirsch weg. »Sie haben recht, die Frau war eine Prostituierte. Leo wird alles, was wir bisher wissen, in das Formular eintragen. Was ist mit Rauschgift?«
    »Wenn sie welches genommen hat, dann nicht mit einer Spritze«, erklärte Vanstraten. »Sie war ›sauber‹. Kein Hinweis auf alte Narben. Und keine auffallenden Hinweise auf den Genuß von Kokain oder andere Rauschgifte.« Er las Haydons Gedanken. »Ihre Anatomie war in Ordnung. Wenn mit ihrem Tod etwas faul ist, können wir das nur im Labor feststellen, nicht an ihrem Körper bei einer anatomischen Untersuchung.«
    »Das ist ja reizend«, sagte Haydon.
    »Betrachten Sie es von meinem Standpunkt, Stuart. Solche Fälle unterbrechen das, was zum Langweiligsten auf der Welt gehört: die einfallslose Todesart. Es ist erstaunlich: Nach der Geburt ist das Ende eines Lebens zweifellos das bedeutendste Ereignis. Dennoch werde ich immer wieder daran erinnert, wie wenig ernst die Menschen dieses Ereignis nehmen. Wenn Hannah Arendt der Meinung ist, das Böse sei banal, dann sollte sie sich mal ein paar Wochen mit dem Tod befassen.«
    Haydon wartete geduldig, während Vanstraten eine theatralische Pause einlegte.
    »Jeden Tag sehe ich Menschen, die ihre Existenz beendet haben und dabei nicht mehr Kreativität aufwandten, als sie erforderlich ist, um einen Hahn aufzudrehen und ein Glas mit Wasser zu füllen. Wenn diese arme Frau an einer Krankheit, durch einen Unfall oder durch Selbstmord gestorben ist, kann ich den tieferen kosmischen Sinn respektieren. Wenn andererseits jemand ihren Tod verursacht hat, ohne sich dabei des Naheliegendsten zu bedienen, dann kann ich für diese Abwechslung nur dankbar sein. Solange die Sache Vergangenheit bleibt«, fügte er rasch hinzu und absolvierte sich damit von dem moralischen faux pas, gerade das allzu sehr zu genießen, was eigentlich hätte verhindert werden sollen.
    Das alles sagte er in einer Mischung aus Scherz und Ernst, die nicht genau zu definieren war. Harl Vanstraten war der einfallsreichste Wissenschaftler, den Haydon jemals kennengelernt hatte.
    Haydons Piepser meldete sich. Er schaltete das Gerät ab, das an seinem Gürtel hing, und schaute sich nach einem Telefon um. Das Mädchen, das zu hübsch war, um in der Leichenhalle zu arbeiten, schob ihm das ihre über den Schreibtisch hinweg zu. Es war Ed Mooney. Haydon berichtete ihm, was geschehen war, und sie verabredeten sich in einem Drugstore an der Montrose, in einer halben Stunde.
    Hirsch war fertig mit dem Ausfüllen des Formblattes und gab die gelbe Kopie dem Mädchen mit dem rötlichen Haar. Er ließ sich Zeit dabei, fragte, ob die Korrekturen auf der Kopie lesbar seien und ob sie etwas entdeckt habe, was fehlte.
    »Okay«, sagte Haydon zu Vanstraten. »Wann können Sie mir Nachricht über die Untersuchungen geben?« Er kannte die Antwort: fünf oder sechs Tage – aber Leo war gerade dabei, bei dem Mädchen einen guten Eindruck zu hinterlassen. Dazu konnte er ein paar Minuten zusätzlicher Zeit gut gebrauchen.
    »Die Resultate im Hinblick auf Rauschgift – morgen. Die Gewebeproben in fünf Tagen, vielleicht in einer Woche. Die toxikologischen Tests dauern zwei bis vier Wochen, wenn sie im normalen Ablauf durchgeführt werden. Falls es dringend ist, könnte ich dafür sorgen, daß sie eher in zwei als in vier Wochen fertig sind.«
    Haydon schüttelte den Kopf. »Es ist nicht dringend.« Dann: »Wirklich schade, nicht wahr?«
    »Was?«
    »Daß es nicht dringend ist.«
    Auf Vanstratens Gesicht zeigte sich ein amüsiertes Lächeln, während er in die Brusttasche seines Mantels griff und ein goldenes Zigarettenetui herausnahm. Er bot Haydon eine Zigarette an und nahm selbst eine heraus, dann zündete er beide mit einem zum Etui passenden Feuerzeug an.
    »Das war aber eine melancholische Bemerkung«, sagte er.
    Haydon inhalierte den Rauch der filterlosen Dunhill. Dann schaute er hinüber zu Hirsch und dem Mädchen, das zu hübsch war, um in der Leichenhalle zu arbeiten.
    »Nichtsdestotrotz….«, sagte er.

4
     
    Das Drugstore war in der Mitte des Blocks zwischen der Montrose und der Roseland und
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